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Im Königreich der Frommen (German Edition)

Im Königreich der Frommen (German Edition)

Titel: Im Königreich der Frommen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Boehm
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ich ja auch. Aber die waren an dem Thema
seltsam uninteressiert. Sie wussten auch kaum etwas dazu zu sagen.
Außerdem hatte ich bei dem Protest gegen das Fahrverbot schon
so meine Erfahrungen mit ihnen gemacht. Und die waren nicht immer
positiv.
    Die Historikerin an
der König Saud Universität und selbsterklärte
Frauenrechtlerin Hatoon al Fassi zum Beispiel hatte schon im März
dem britischen Fernsehsender „Sky“ gesagt, sie lehne die
Entscheidung des Regimes ab, Frauen bei den Kommunalwahlen 2011
wieder einmal nicht wählen zu lassen. Soweit so gut. Es war die
Begründung, die mich stutzen ließ: „Frauen
auszuschließen schreibt nur das Stereotyp fort, das Königreich
sei ein Land, das Frauen unterdrückt und ihre Freiheit
einschränkt.“ Ach so, dieses Stereotyp!
    Oder: Der
Sprecherin der Fahrerinnen und liberalen Bloggerin Eman Al Najaf
schlug ich vor, an einem Planungstreffen der fahrenden Vaders
teilzunehmen. Sie fiel fast aus dem Telefon. „Aber Sie sind
ein Mann!“, sagte sie mit soviel Entrüstung in der
Stimme, als hätte ich gerade vorgeschlagen, aus ihrem Schoß
zu frühstücken.
    Oder: Eine
Kinderpsychologin, die 1990 an dem Protest gegen das Fahrverbot
teilgenommen hatte, sagte mir: „Ach, das Vormundschaftssystem
ist doch gar nicht das Problem.“ Unter wessen Daumen sie
lebte, wollte sie dann aber auch nicht sagen.
    Schließlich
brauchte ich auch eine Übersetzerin. Über eine Kollegin
fand ich eine saudische Frau. Sie arbeitete in einer kleinen Firma
in Riad und sprach gut Englisch. Ein Treffen von Angesicht zu
Angesicht war anfangs nicht nötig, stand nicht auf dem Programm
und wurde auch von niemandem erwähnt, aber das Erste, was sie
mir am Telefon sagte, war: „Ich werde mich auf keinen Fall mit
Ihnen in einer Privatwohnung treffen.“
    Natürlich
waren mir die Erzählungen meiner westlichen Kolleginnen
bekannt. Aus Angst angemacht zu werden, verließen sie das Haus
nie unbegleitet. Ich las die Artikel in den Zeitungen über die
indonesischen Krankenschwestern, die sich beschwerten, andauernd
begrapscht zu werden; die Artikel über die Frauen, die erpresst
und zu was weiß ich genötigt wurden, weil jemand
irgendwie ihr Foto in die Hand bekommen hatte. Aber war es wirklich
vernünftig anzunehmen, dass ein Journalist, dessen Artikel nach
ein paar Mausklicks auf dem Schirm erscheinen, in einem unbedachten
Moment versuchen würde, einen Vader zu bespringen?
    Ich fing an, an mir
und der Recherche zu zweifeln. Lag es an mir? Hatten die paar Monate
im Königreich schon ihre Spuren hinterlassen? Stierte mir der
Drang nach Vaders schon aus den Augen, nur ich merkte es nicht?
    Das konnte es doch
nicht sein. Mit den schwarzen Jedis sprach ich nur am Telefon! Was
war es dann?
    Ich blieb dran.
Meine Schwierigkeiten waren damit jedoch noch nicht beseitigt.
Einfach dranbleiben. Wenn's so einfach wäre. Nur: Eine Mutter
meiner Studenten zu fragen, war ausgeschlossen. Einem Fremden sagten
die noch nicht mal den Namen ihrer Mutter, geschweige denn
Schwester. Dann würden sie mich denen persönliche Fragen
stellen lassen. Und als Sex-Gangster an der Uni bekannt zu werden...
Das fehlte mir gerade noch!
    Ich versuchte es
bei Stiftungen für bedürftige Frauen. Fehlanzeige.
Irgendwie bekam ich die Telefonnummer einer Ärztin in der
Frauenabteilung eines Krankenhauses. Geht nicht, aber versuchen Sie
es doch einmal bei der und der. Ging auch nicht. Ich verfiel wieder
auf die Aktivistinnen. Methodisch ging ich alle möglichen
anderen Vader-Biotope durch. Schließlich las ich in der
Zeitung über die staatliche Gesellschaft für
Menschenrechte (NSHR) in Dschidda. Ein NSHR-Mitarbeiter schien mit
Journalisten über die schwarzen Jedis im Königreich zu
sprechen. Also rief ich ihn an. Er war sehr hilfsbereit. Er
versprach ein Treffen mit Frauen zu arrangieren, die Probleme mit
dem Vormundschaftssystem hatten.
    Natürlich
verfiel ich dann wieder in meine alten Sex-Gangster-Gewohnheiten.
Ich versuchte einen Gang zu einem Ministerium oder Amt mit meinem
Opfer herauszuschlagen – nach einem ersten Treffen und
anschließender Sympathie, versteht sich. Welche
Reportage-Elemente das hätte liefern können, welche
journalistischen Möglichkeiten!
    Ein therapeutisch
kurzes Nein einer inzwischen delegierten
Menschenrechtsgellschaftsmitarbeiterin brachte mich aber wieder in
die richtige Spur. Nur ein Treffen in den Räumen der
Organisation sei möglich, stellte sie unmissverständlich
klar. Ich musste nach Dschidda

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