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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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»Dreh dich um.«
    »Soll ich dir auch noch einen Dolch besorgen, damit du ihn benutzen kannst?« spottete er, und noch ehe sie ihm darauf antworten konnte, befahl er eisig: »Zieh dich an.«
    Sobald sie das Kleid, Schuhe und ihren dunkelblauen Umhang anhatte, zerrte er sie an sich, und ehe sie recht begriff, wie ihr geschah, knebelte er sie und band ein schwarzes Tuch um ihren Mund. Dann schubste er sie unsanft zum Fenster. Jenny starrte voller Entsetzen an der glatten steilen Wand hinunter in den tiefen, dunklen Burggraben. Es war, als würde sie ihrem eigenen Tod in den Rachen blicken. Sie schüttelte heftig den Kopf, aber Royce schob sie weiter, nahm den kräftigen Strick, der vom Fenstersims herabhing, und knotete ihn um ihre Taille.
    »Halt dich mit den Händen am Seil fest«, ordnete er unbarmherzig an, während er das andere Ende des Seils um seine Handgelenke wickelte, »und stütz dich mit den Füßen an der Mauer ab.« Ohne weitere Umschweife hob er sie hoch und setzte sie auf das Fenstersims.
    Er erkannte die Angst in ihren großen Augen, als sie sich am Fensterrahmen festklammerte, und sagte kurz angebunden: »Schau nicht nach unten. Der Strick hält dich, und ich habe schon schwerere Lasten als dich abgeseilt.«
    Jenny stöhnte mutlos, als seine Hände ihre Taille umfaßten und sie schonungslos weiter schoben. »Nimm das Seil in die Hände«, brummte er, und Jenny gehorchte in dem Moment, in dem er sie vom Sims hob und über das faulige Wasser in der Tiefe hielt.
    »Stoß dich mit den Füßen von der Mauer ab«, wiederholte er scharf.
    Jenny, die bereits aus dem Fenster hing, drehte und wand sich wie ein Blatt im Wind und stemmte verzweifelt die Füße gegen die Mauer, bis es ihr endlich gelang, sich ruhig an dem Strick zu halten. Sie schwebte zwischen Himmel und Hölle, und nur noch ihr Kopf war in Fensterhöhe. Sie starrte Royce fassungslos an und keuchte.
    Und ausgerechnet in diesem unglücklichen, unpassendsten Moment, in dem sie mehr als zwanzig Meter über dem tiefen Burggraben baumelte und nur von einem Paar kräftiger Hände und einem dicken Seil davon abgehalten wurde, in den Tod zu stürzen, hatte Jenny die seltene Gelegenheit zu sehen, wie das Gesicht des Schwarzen Wolfs zu einer Maske blanken Entsetzens wurde, als Tante Elinor wie ein Geist in ihrem weißen Nachthemd neben dem Bett auftauchte, an seine Seite huschte und gebieterisch fragte: »Was, in drei Teufels Namen, tut Ihr da?«
    Royces Kopf ruckte herum, und er sah sie ungläubig an. Seine Miene war beinahe komisch, als er merkte, wie hilflos er in dieser Situation war - er konnte weder nach seinem Dolch greifen, um die alte Dame zu bedrohen, noch zu ihr eilen und sie zum Schweigen bringen.
    Zu jeder anderen Zeit hätte sich Jenny köstlich darüber amüsiert, ihn so ratlos zu erleben, aber nicht jetzt - nicht wenn er im wahrsten Sinne des Wortes ihr Leben in seinen Händen hielt. Sie bekam noch mit, wie er Tante Elinor entgeistert betrachtete, dann gab das Seil nach, und sie wurde ruckartig in die Tiefe hinuntergelassen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich festzuhalten und zu beten. Aber sie fragte sich auch, was, um Himmels willen, jetzt in ihrem Zimmer vor sich ging und warum Tante Elinor sich zu erkennen gegeben und ausgerechnet diesen Augenblick für ihren dramatischen Auftritt gewählt hatte.
    Royce fragte sich dasselbe, als er die ältere Frau in der Dunkelheit musterte, um Aufschlüsse darüber zu erhalten, ob sie mit voller Absicht den gefährlichsten Moment abgewartet hatte. Er warf einen Blick auf das Seil, das ins Fleisch seiner Hände schnitt.
    Erst dann beantwortete er die Frage der alten Dame: »Ich entführe Eure Nichte.«
    »Das dachte ich mir schon.«
    Royce betrachtete sie genauer. Er war nicht sicher, ob Jennifers Tante geistig nur ein wenig minderbemittelt oder geistesgestört und verwirrt war. »Und was habt Ihr vor, um das zu verhindern?«
    »Ich könnte die Tür aufreißen und um Hilfe schreien«, sagte sie, »aber da Ihr Brenna in Eurer Gewalt habt, sollte ich vermutlich lieber davon Abstand nehmen.«
    »Ganz recht«, stimmte Royce zögerlich zu. »Das könnte sich ungünstig auswirken.«
    Eine kleine Ewigkeit begegneten sich ihre Blicke, während sie sich gegenseitig abschätzten, dann sagte sie: »Natürlich könnte es auch eine Lüge sein, daß Ihr Brenna gefangengenommen habt.«
    »Möglich«, erwiderte Royce vorsichtig.
    »Andererseits habt Ihr vielleicht doch nicht gelogen. Wie habt Ihr es

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