Im Koenigreich der Traeume
Unternehmen erheblich verzögern, und das konnte er sich nicht leisten. Gerade als er sich entschieden hatte, sie nicht mitzunehmen, brachte sie ein Argument vor, das seinen Entschluß über den Haufen warf. »Wenn Ihr mich zurücklaßt«, erklärte sie kläglich, »wird mich mein Neffe töten, weil ich zugelassen habe, daß Ihr Jenny entführt. Sein Haß für Euch übertrifft die Liebe zu mir - sogar die Liebe zu der armen Jennifer. Er wird niemals glauben, daß Ihr es fertig gebrachthabt, uns beide zum Schweigen zu bringen. Wahrscheinlich nimmt er sogar an, daß ich das Seil für Euch hier heraufgebracht habe.«
Insgeheim verwünschte er alle schottischen Frauen - er zögerte noch einen Augenblick, dann nickte er widerwillig und sagte zähneknirschend: »Zieht Euch an.«
Der Strick schnitt schmerzhaft in ihren Brustkorb ein, ihre Arme und Beine brannten wegen der Schürfwunden, die sie sich an der rauhen Wand zugezogen hatte. Jenny schluckte schwer und warf einen Blick nach unten. Im Burggraben machte sie zwei männliche Gestalten aus, die direkt aus dem unheimlichen Schlamm aufzutauchen schienen. Sie unterdrückte einen Entsetzensschrei und blinzelte ein paarmal. Erst dann entdeckte sie die Umrisse eines Floßes. Ein paar Sekunden später griffen riesige Hände nach ihr, tasteten ihre Taille ab und strichen gleichgültig über ihre Brüste - Arik löste die Knoten und nahm ihr das Seil ab, dann stellte er sie auf das schwankende Floß.
Jenny faßte hinter den Kopf, um das schwarze Tuch, das sie knebelte, abzunehmen, aber Arik schlug ihr die Hände herunter und fesselte sie hinter ihrem Rücken. Als er damit fertig war, schubste er sie über das wackelige Floß grob zu dem anderen Mann, der sie geschickt auffing. Noch immer zitternd nach der überstandenen Gefahr, starrte sie Stefan Westmorelands ausdrucksloses Gesicht an. Er wandte sich wortlos von ihr ab und spähte gespannt nach oben zu dem Fenster.
Ungeschickt ließ sich Jenny in eine sitzende Position nieder und war froh über die magere Sicherheit und den Schutz, den ihr das Floß in einer Welt bot, die keinerlei Sinn mehr für sie machte.
Nach ein paar Minuten brachen die beiden Männer auf dem Floß das Schweigen. Stefan Westmoreland flüsterte erschrocken: »Was zum Teufel ...« Er schnappte nach Luft und gaffte ungläubig zu der Burgmauer, an der Jenny gerade abgeseilt worden war.
Jenny neigte den Kopf nach hinten und folgte seinem Blick. Im stillen hoffte sie, Zeuge zu werden, wie der furchteinflößende Royce Westmoreland hilflos ins faulige Wasser plumpste. Aber nun sah sie einen Mann, auf dessen Schultern eine andere Gestalt wie ein Mehlsack lag, der mit einem Strick befestigt war.
Erschrocken sprang Jenny auf, als sie die arme Tante Elinor erkannte, aber das Floß schwankte gefährlich auf dem Wasser. Arik warf ihr einen scharfen Blick zu und befahl ihr wortlos, sich still zu verhalten. Jenny wartete und beobachtete, wie die klobige Last mit quälender Langsamkeit am Seil herunter taumelte. Erst als Arik und Stefan Westmoreland nach oben faßten und ihrem Komplizen auf das Floß halfen, konnte Jenny wieder normal atmen.
Royce befreite sich noch von seiner >Gefangenen<, als sich das Floß schon lautlos zum anderen Ufer in Bewegung setzte. Jenny fielen zwei Dinge auf: Anders als sie selbst, war Tante Elinor nicht geknebelt - und sie schrie dennoch nicht und das Floß wurde von Männern, die sich in den Büschen versteckt hatten, an Seilen zum anderen Ufer gezogen.
Zwei Blitze zuckten kurz hintereinander über den Himmel, und in dem grellen, blauen Licht warf Jenny einen Blick über die Schulter und betete, eine der Wachen auf dem Burgwall möge sich umdrehen und das Floß entdecken. Doch dann überlegte sie erschöpft, daß es genauso zwecklos war, Gott um Entdeckung anzuflehen, wie geknebelt zu sein. Sie mußte so oder so Merrick zusammen mit Royce Westmoreland verlassen. Sobald ihre Angst ein wenig nachließ, wurde sie sich bewußt, daß sie es sogar vorzog, sich bei Nacht und Nebel davonzustehlen, statt offiziell als seine Frau aus der Burg zu reiten.
Kapitel siebzehn
Das Unwetter, das sich zwei Tage lang am Horizont aufgetürmt hatte, um seine Kräfte zu sammeln, tobte jetzt mit aller Macht und sorgte dafür, daß der Himmel am Morgen zwei Stunden länger finster blieb. Regen prasselte auf ihre Köpfe und lief über die Gesichter, die jungen Bäume bogen sich im Sturm. Trotzdem setzte die Gruppe unbeirrt ihren Weg fort und suchte, wann
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