Im Koenigreich der Traeume
selbstverständlich an einer solchen Unterhaltung teilnehmen konnte und plötzlich ihren eigenen Haushalt und eine Familie hatte. Sie dachte gerade, daß es ein wunderbares, aber auch eigenartiges Gefühl war, in einer so vertrauten Runde zu sitzen, als Royce unvermittelt die Diskussion für beendet erklärte und sich mit einem entschuldigenden Lächeln zu ihr drehte. »Sollen wir einen kleinen Spaziergang machen? Es ist eine so schöne Nacht für Oktober - viel zu schön, um über Dinge zu reden, die dich schrecklich langweilen müssen.«
»Ich langweile mich überhaupt nicht«, widersprach Jenny leise und lächelte liebevoll.
»Wer hätte das gedacht?« neckte er sie. »Dieselbe Frau, die mir mit meinem eigenen Dolch meine Initialen ins Gesicht schnitzen wollte, entpuppt sich mit einemmal als sanftes, duldsames Lämmchen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, half er Jenny beim Aufstehen und erinnerte seine Ritter daran, daß sie sich am nächsten Morgen nach dem Frühstück im Burghof zu einer Übung mit den Lanzen versammeln sollten. Dann führte er Jenny hinaus.
Nachdem sie gegangen waren, grinste Sir Eustace die anderen breit an. »Habt Ihr gewußt, daß Royce erpicht auf Spaziergänge im Mondschein ist?«
»Das tut er sonst nur, wenn er einen nächtlichen Besuch vom Feind erwartet«, meinte Sir Lionel lachend.
Sir Godfrey, der Älteste in der Gruppe, fand das alles nicht zum Lachen. »Er erwartet einen Besuch, seit wir hier angekommen sind«, sagte er ernst.
Kapitel zweiundzwanzig
»Wohin gehen wir?« fragte Jenny.
»Da hinauf, um die Aussicht zu genießen«, sagte Royce und deutete auf die steilen Stufen, die zum Wehrgang, dem breiten Steinsims auf der Burgmauer, führten. Über diesen Wehrgang erreichte man alle zwölf Gefechtstürme, und die Wachen konnten auf ihren Patrouillengängen die ganze Festung umrunden.
Jenny bemühte sich, die Männer, die in regelmäßigen Abständen auf dem Wehrgang postiert waren und Wache hielten, zu übersehen, und betrachtete statt dessen das mondbeschienene Tal. Die leichte Brise wehte durch ihr langes Haar. »Hier oben ist es wunderschön«, sagte sie leise. »Claymore ist großartig.« Nach einer Minute fügte sie hinzu: »Es scheint unangreifbar zu sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand diese Festung einnehmen könnte. Die Mauern sind so hoch und die Steine so glatt. Wie hast du es geschafft, diese Mauern zu überwinden?«
Er sah sie belustigt an und zog die Augenbrauen hoch. »Ich habe sie nicht >überwunden<, sondern >ausgehöhlt<. Wir haben Löcher in die Mauern gerammt und sie mit Balken abgestützt, die wir dann in Brand gesteckt haben. Als die Balken zusammenbrachen, brach auch die Mauer.«
Jenny blieb der Mund offenstehen, aber dann fiel ihr etwas ein. »Ich habe gehört, daß du das auch in Glenkenny gemacht hast - es klingt sehr gefährlich.«
»Das ist es auch.«
»Wieso hast du es dann getan?«
Royce strich ihr eine lockige Strähne aus dem Gesicht und sagte leichthin: »Weil ich nicht fliegen kann, und das wäre die einzige andere Möglichkeit gewesen, in diesen Burghof zu gelangen.«
»Vermutlich könnten dann andere auf die gleiche Art noch einmal in diese Festung eindringen«, bemerkte sie gedankenvoll.
»Sie könnten es versuchen«, sagte er schmunzelnd, »aber es wäre ziemlich dumm. Gleich unter uns habe ich ein paar Meter von den Mauern entfernt eine Reihe von Tunneln graben lassen, und die würden einstürzen und ein Weiterkommen unmöglich machen, wenn ein Eindringling probieren sollte, was ich getan habe.« Er legte den Arm um Jennys Taille und zog sie nah an sich. »Als ich die Festung wieder aufbauen ließ, habe ich mich bemüht, alles so zu konstruieren, daß selbst ich sie nicht einnehmen könnte. Vor acht Jahren waren die Steine der Mauern noch nicht so glatt wie heute.« Er deutete mit dem Kopf auf die Gefechtstürme, die sich hoch über die Wehrmauer erhoben. »Und die Türme waren alle viereckig, jetzt sind sie rund.«
»Warum?« erkundigte sich Jenny neugierig.
»Weil«, erwiderte er und hauchte ihr einen Kuß auf die Stirn, »runde Türme keine Ecken und Kanten haben, die es einem Mann erleichtern hinaufzuklettern. Viereckige Türme und Mauern mit Vorsprüngen - wie die in Merrick - sind ganz leicht zu erklimmen, wie du sehr wohl weißt...« Jenny öffnete den Mund, um die Rüge, die er mit dieser Anspielung verdient hatte, auszusprechen, aber er nutzte die Gelegenheit zu einem innigen Kuß. »Wenn der Feind keine
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