Im Koenigreich der Traeume
Royce, aber die verzweifelte Mutter schrie: »Doch! Das ist sein Recht - er hat das Recht, das heilige Sakrament zu erhalten, bevor er stirbt.«
»Wenn er stirbt«, erwiderte Royce nüchtern, »dann nur, weil Ihr ihn mit Euren Armen erwürgt, Madam. Tretet einen Schritt zurück, damit der Junge wieder atmen kann.«
Ein Hoffnungsschimmer erhellte ihr kummervolles Gesicht, dann schwankte sie, als sie sah, daß die Leute, die die Szene beobachteten, keineswegs ihre Hoffnungen teilten. »Was wird mit ihm geschehen, Mylord?«
»Das entscheide nicht ich«, entgegnete Royce knapp. Sein Ärger erwachte erneut, als er sich daran erinnerte, mit welch bösen Rufen seine Frau an diesem Ort empfangen worden war. »Da meiner Gemahlin durch seine Hand ein Leid geschehen ist, wird sie auch die Strafe bestimmen.«
Statt froh über diesen Entschluß zu sein, schlug die Mutter die Hände vor den Mund, und schaute Jenny voller Entsetzen an.
Jenny konnte es nicht mehr länger mit ansehen, wie diese arme Frau im Ungewissen gelassen und gequält wurde. Sie drehte sich zu dem Jungen um und fragte rasch, aber keineswegs unfreundlich: »Wie heißt du?«
Er starrte sie aus verheulten Augen an und stotterte: »J-Jake, M-My-l-lady.«
»Schön, Jake«, sagte Jenny und überlegte fieberhaft, wie ihr Vater in einer solchen Situation entscheiden würde. Ein Vergehen durfte nicht ungesühnt bleiben, das wußte sie, da zu große Nachsicht nur den Nährboden für weitere Verbrechen bilden und der Lord als Schwächling erscheinen würde. Andererseits war unnötige Strenge auch nicht angebracht, besonders nicht bei einem Jungen in so zartem Alter. Sie versuchte, dem Kind eine Entschuldigung zu liefern und sagte: »Manchmal, wenn wir sehr aufgeregt wegen irgendeiner Sache sind, tun oder sagen wir Dinge, die wir gar nicht so meinen. War das bei dir gestern so, als du den Erdklumpen geworfen hast? Vielleicht wolltest du mich gar nicht wirklich damit treffen.«
Jake schluckte zweimal. »Ich ... ich ...« er schaute in das starre Gesicht des Dukes und beschloß, lieber doch nicht zu einer Lüge Zuflucht zu nehmen, »ich treffe immer, wenn ich auf etwas ziele«, gestand er kläglich.
»Tatsächlich?« Jenny versuchte Zeit zu gewinnen und dachte verzweifelt über eine Lösung des Problems nach.
»Ja, Ma’am«, flüsterte er erstickt. »Ich treffe ein Kaninchen mit einem Stein direkt zwischen den Augen, so daß es auf der Stelle tot umfällt. Ich schieße nie daneben, wenn das Ziel nicht zu weit weg ist.«
»Tatsächlich?« wiederholte Jenny sichtlich beeindruckt. »Ich habe einmal versucht, eine Ratte aus fünfzig Meter Entfernung zu treffen, und ich habe sie getötet.«
»Das habt Ihr getan?« fragte der Junge ehrfürchtig.
»Ja - aber, das spielt jetzt keine Rolle«, setzte Jenny hastig hinzu, als sie Royces tadelnden Blick bemerkte. »Du hattest nicht vor, mich zu töten, nicht wahr?« Da sie das törichte Kind dazu bringen wollte, diese Frage zu bejahen, sagte sie schnell: »Du wolltest sicher deine Seele nicht mit der Sünde eines Mordes für alle Ewigkeiten beflecken, habe ich recht?«
Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, das wollte ich nicht.«
»Also hast du nur aus der momentanen Aufregung heraus gehandelt, stimmt’s?« drängte sie, und ihr fiel ein riesiger Stein vom Herzen, als er schließlich nickte.
»Und natürlich bist zu stolz darauf, daß du so gut werfen kannst - vielleicht wolltest du allen zeigen, wie geschickt du bist.«
Er zögerte, dann nickte er heftig.
»Na, siehst du!« sagte Jenny und sah sich in der gespannt wartenden Menge um. »Er wollte niemandem ein Leid antun«, rief sie erleichtert, »und die Absicht ist genauso schwerwiegend wie das Vergehen selbst.« An Jake gewandt, sagte sie ernst: »Selbstverständlich mußt du für diese Tat bestraft werden, und da du so gut werfen kannst, denke ich, wir sollten deine Fertigkeit nutzen. Deshalb wirst du zwei Monate lang mit den Männern auf die Jagd gehen und ihnen helfen, so gut du kannst. Und wenn in der Burg kein frisches Fleisch gebraucht wird, kommst du her und hilfst mir - außer an den Sonntagen natürlich. Und wenn dein ...«
Jenny verstummte erschrocken. Die weinende Mutter warf sich ihr vor die Füße, schlang die Arme um ihre Beine und schluchzte: »Danke, Mylady, tausend Dank. Ihr seid eine Heilige. Gott segne Euch, danke ...«
»Nein, ich bitte Euch«, flehte Jenny verzweifelt, als die überwältigte Frau den Saum ihres Kleides küßte. Der
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