Im Koenigreich der Traeume
verstohlen spähte. »Ihm fehlt noch ein ganzes Jahr Training.«
Jenny zuckte erschrocken zusammen, aber dann sagte sie: »Ich finde, er sieht großartig aus.«
»Ja, er macht sich tatsächlich nicht schlecht«, bestätigte Godfrey. »Aber seht Euch Royces Knie an - da, merkt ihr, wie fest er sie zusammendrücken muß, ehe Zeus weiß, daß er wenden soll. Thor hätte das schon bei einer so leichten Berührung begriffen ...« Godfrey streckte die Hand aus und legte den Daumen auf Jennys Arm. Brennende Gewissensbisse nagten an Jennys Herz, als sie an das prächtige große Streitroß dachte, dessen Tod sie so leichtsinnig verschuldet hatte, und Sir Godfreys nächste Worte beschwichtigten ihre Schuldgefühle keineswegs. »Wenn es ernst wird wie bei dem bevorstehenden Turnier, dann kann das Leben eines Ritters davon abhängen, ob sein Pferd jedem auch noch so geringen Befehl gehorcht.«
Eustace und Gawin schwangen sich aus den Sätteln und gesellten sich zu ihnen. Gawin, der Godfreys letzte Bemerkung mitangehört hatte, beeilte sich, für Royce in die Bresche zu springen. »Es besteht kein Grund zur Besorgnis, Mylady«, prahlte er. »Royce ist der geschickteste Ritter von der ganzen Welt - das werdet ihr bei dem Mannschaftsturnier selbst sehen.«
Als er merkte, daß er beobachtet wurde, zügelte Royce sein Pferd und trabte zu der kleinen Gruppe. Da Jenny von Godfrey und Gawin verdeckt war, sah er sie erst, als er unmittelbar vor ihr stand.
»Zeigt Lady Jennifer, wie Ihr gegen die Stechpuppe anreitet«, platzte Gawin heraus.
»Ich bin sicher«, erklärte Royce nach einem prüfenden Blick in das unbeteiligte Gesicht seiner Gemahlin, »daß Lady Jennifer bereits genug Übungen und Reitkünste von uns allen gesehen hat.«
Godfrey grinste bedeutsam, als er Gawins Bitte unterstützte: »Ich wette aber, sie hat noch nie gesehen, wie du dein Ziel verfehlst. Los, zeig uns, was du in einem solchen Fall tust.«
Mit einem widerstrebenden Nicken wendete Royce, ließ Zeus einen engen Kreis gehen und hetzte ihn aus dem Stand in einen wilden Galopp.
»Er zielt absichtlich mit der Lanze daneben?« fragte Jenny und dachte entsetzt an den wuchtigen Schlag, mit dem der große, schwere Sandsack einen Ritter aus dem Sattel beförderte.
»Paßt genau auf, was er jetzt macht«, sagte Godfrey stolz, »es gibt keinen anderen Ritter auf dieser Erde, der das kann.«
In dem Augenblick, in dem Royce einen mächtigen Speerstoß in die Schulter - und nicht auf den Schild - der Stechpuppe landete, zuckte der Sandsack wie ein Blitz in seine Richtung ... und verfehlte Royce, der sich mit einer mit bloßem Auge kaum wahrnehmbaren Bewegung zur Seite gleiten ließ und sich neben die fliegende Mähne des Hengstes duckte. Jennifer war sich selbst nicht richtig bewußt, daß sie vor Begeisterung in die Hände klatschte.
Vollkommen erstaunt sah sie zuerst Eustace, dann Godfrey fragend an.
»Es sind seine Reflexe«, erklärte Gawin mit stolzgeschwellter Brust. »Trotz all der vielen mächtigen Muskeln kann sich Royce so schnell bewegen, wie andere mit den Augen blinzeln.«
Royces Stimme ertönte in ihrem Geist und erinnerte sie an die glücklichste Nacht ihres Lebens. Du mußt einmal einen Krieger genau beobachten, wenn er Pfeilen und Lanzen ausweicht - du wirst die tollsten Tanzschritte und eine erstaunliche Fußarbeit sehen.
»Er ist so schnell -« Gawin schnipste mit den Fingern, um die Geschwindigkeit seiner Bewegungen zu demonstrieren -, »mit einem Dolch oder einem Schwert oder einer Keule.«
Diesmal dachte Jenny an den Dolch, der Williams Brust durchbohrt hatte, und die bittersüße Erinnerung an die zauberhafte Liebesnacht verblaßte im Nu.
»Es war eine ganz hübsche Vorstellung an der Stechpuppe«, bemerkte sie ausdruckslos, »dennoch wird ihm dieses Geschick in einer Schlacht nicht viel nützen, weil er in voller Rüstung viel zu unbeweglich ist, um sich so zur Seite gleiten zu lassen.«
»Oh, aber er kann das auch in seiner Rüstung!« widersprach Gawin vergnügt. Als Lady Jennifer ihnen nach einem höflichen Nicken den Rücken kehrte und wegging, machte der Junge ein langes Gesicht.
»Gawin«, schimpfte Godfrey zornig, »dein mangelndes Feingefühl und deine Taktlosigkeit erschrecken mich. Mach dich aus dem Staub und poliere Royces Rüstung und halt ab jetzt lieber den Mund!« Entrüstet drehte er sich zu Eustace um und setzte hinzu: »Wie kann ein Junge so umsichtig in einer Schlacht sein und vollkommen versagen, wenn eine Lady in
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