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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Gesicht sehen kann - sie versucht die ganze Zeit, um dich herum zu schauen, und ich fürchte, sie kippt gleich um und fällt auf die Nase.«
    Jenny konnte sich nicht schnell genug wieder aufrichten, um den Eindruck zu erwecken, daß sie vollkommen uninteressiert war. Ihre Wangen liefen rot an, und sie löste rasch den Blick von Royce Westmorelands Gesicht - aber erst, nachdem sie erschrocken festgestellt hatte, daß der Wolf beträchtlich jünger sein mußte, als sie vermutet hatte. Außerdem besaß er keineswegs ein fliehendes Kinn; im Gegenteil - es war kräftig und kantig, mit einer komischen kleinen Delle in der Mitte. Mehr als das hatte sie nicht erkannt.
    »Kommt, seid nicht so scheu«, forderte Royce sie sarkastisch auf, aber offenbar hatte der starke Wein viel dazu beigetragen, seinen Zorn zu besänftigen. Er fand den übergangslosen, erstaunlichen Wechsel von der waghalsigen Attentäterin zum neugierigen jungen Mädchen verblüffend und amüsant. »Seht Euch das Gesicht, in das Ihr gerade Eure Initialen schnitzen wolltet, gut an«, drängte er und musterte dabei ihr angespanntes Profil.
    »Ich muß die Wunde wirklich nähen, Mylord«, meldete sich Gawin stirnrunzelnd zu Wort. »Sie ist ziemlich tief und sieht schon jetzt häßlich genug aus, weil die Ränder anschwellen.«
    »Versuch nur nicht, mit deinen ungeschickten Händen Lady Jennifers Abscheu vor mir noch mehr Nahrung zu geben«, meinte Royce hämisch.
    »Ich bin Euer Knappe, Mylord, nicht Eure Näherin«, erwiderte Gawin. Er deutete mit der Nadelspitze bereits auf den tiefen Schnitt, der an der Schläfe seines Herrn begann und bis zum Kieferknochen reichte.
    Das Wort »Näherin« erinnerte Royce plötzlich an die ordentlichen, beinahe unsichtbaren Stiche, die Jenny an einer Hose vollbracht hatte. Er winkte Gawin zur Seite und betrachtete seine Gefangene abschätzend. »Kommt her«, befahl er Jenny ruhig und mit unüberhörbarer Autorität.
    Jenny war weit davon entfernt, ihn noch mehr gegen sich aufzubringen, weil sie ihre Freilassung nicht gefährden wollte, und erhob sich argwöhnisch. Insgeheim war sie froh, ihr schmerzendes Hinterteil entlasten zu können.
    »Tretet näher«, ordnete er an, als sie außerhalb seiner Reichweite stehen blieb. »Mir erscheint es nur passend, wenn Ihr alles flickt, was Ihr kaputtgemacht habt. Näht die Wunde in meinem Gesicht.«
    Im Licht der beiden Kerzen sah Jenny den Schnitt, und der Anblick des rohen Fleischs und der Gedanke, daß sie mit einer spitzen Nadel da hineinstechen sollte, verursachte ihr Schwindelgefühle. Sie schluckte die bittere Galle, die sich in ihrer Kehle sammelte, hinunter und flüsterte durch trockene Lippen: »Das ... das kann ich nicht.«
    »Ihr könnt, und Ihr werdet es tun«, versetzte Royce unbarmherzig. Noch vor einer Sekunde war er im Zweifel gewesen, ob es tatsächlich so klug war, sie mit einer Nadel in der Hand in seine Nähe kommen zu lassen, aber als er ihr Entsetzen über die Verwundung erkannte, war er einigermaßen beruhigt. Genaugenommen dachte er sogar, daß es eine ausgezeichnete Strafe für ihr unverzeihliches Vergehen war, wenn sie den Schnitt anschauen und berühren mußte.
    Äußerst widerstrebend händigte Gawin ihr die Nadel und den Faden aus. Jenny nahm sie in ihre zitternden Finger und richtete die Nadelspitze auf die Wunde. Aber noch ehe sie ihr Werk beginnen konnte, hielt Royce ihre Hand fest und warnte sie kalt: »Ich hoffe, Ihr seid nicht so dumm, diese Prozedur unnötig schmerzhaft zu gestalten.«
    »Nein, das habe ich nicht vor«, antwortete Jenny matt.
    Royce hielt ihr den frisch gefüllten Weinkrug hin. »Hier, trinkt erst einmal einen Schluck, das beruhigt Eure Nerven.«
    Würde er ihr in diesem Moment Gift angeboten und behauptet haben, es dämpfe ihre Nervosität, hätte Jenny auch das begierig angenommen - so sehr erschreckte sie die Aussicht auf die blutige Arbeit, die vor ihr lag. Sie setzte den Krug an die Lippen und nahm drei große Schlucke, die sie fast erstickten. Als sie sich erholt hatte, trank sie noch mehr. Sie hätte den Krug vermutlich geleert, wenn der Earl ihn ihr nicht entschlossen aus der Hand genommen hätte. »Zuviel davon beeinträchtigt Eure Sehkraft und Fingerfertigkeit«, erklärte er sachlich. »Ich möchte nicht riskieren, daß Ihr mir das Ohr zunäht. So, und jetzt fangt an.« Er drehte den Kopf und hielt ihr seine zerschnittene Wange hin, während sich Gawin neben Jenny aufbaute, um dafür zu sorgen, daß sie nicht noch mehr

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