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Im Koenigreich der Traeume

Titel: Im Koenigreich der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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er böse. Seine Bewunderung für ihre Courage verflog sofort, als er spürte, daß ihm Blut über das Gesicht lief. »Wenn Ihr ein Mann wäret, würde ich Euch dafür töten.«
    Gawin starrte auf die Wunde. Sein Zorn übertraf sogar noch den seines Herrn, und als er den Blick auf Jenny richtete, leuchtete die Mordlust aus seinen Augen. »Ich hole die Wache«, sagte er nach einem letzten haßerfüllten Blick auf die Feindin.
    »Sei kein Narr«, versetzte Royce. »Möchtest du, daß sich im Lager und dann im ganzen Land verbreitet, daß ich von einer Nonne verwundet wurde? Man fürchtet mich, deshalb erzählt man sich Legenden, die meine Gegner einschüchtern, noch ehe sie ihre Waffen gegen mich erheben.«
    »Ich bitte um Vergebung, Mylord«, sagte Gawin. »Aber wie wollt Ihr sie davon abhalten, die Geschichte überall zu erzählen, sobald Ihr sie freigelassen habt?«
    »Mich freilassen?« Jenny erwachte aus ihrer Erstarrung und vergaß für einen Moment den Blutstrom, den sie verursacht hatte. »Ihr habt vor, uns freizulassen ?«
    »Möglich - wenn ich Euch nicht vorher umbringe«, gab der Wolf zurück und schubste sie mit solcher Wucht von sich, daß sie auf die Felle in der Zeltecke fiel. Er schnappte sich den Weinkrug, ohne Jenny dabei aus den Augen zu lassen, und trank einen großen Schluck, dann betrachtete er die große Nadel und die Garnrolle auf dem Tisch. »Such eine kleinere Nadel«, wies er seinen Knappen an.
    Jenny blieb ratlos sitzen - seine Worte und Handlungen verwirrten sie. Jetzt, da ihr Verstand wieder in Gang kam, konnte sie kaum fassen, daß er sie nicht sofort nach ihrem Angriff getötet hatte. Wieder ging ihr durch den Kopf, was er gesagt hatte. Man fürchtet mich, deshalb erzählt man sich Legenden, die meine Gegner einschüchtern, noch ehe sie die Waffen gegen mich erheben.
    Im Grunde war sie insgeheim selbst schon zu dem Schluß gekommen, daß der Schwarze Wolf bei weitem nicht so böse und grausam war, wie man sich erzählte. Wäre er auch nur halb so schlimm, hätte er sie längst gefoltert und mißbraucht.
    Aber er schien sogar vorzuhaben, sie und Brenna gehen zu lassen.
    Als Gawin mit einer feineren Nadel zurückkam, brachte Jenny dem Mann, den sie noch vor ein paar Minuten hatte töten wollen, fast so etwas wie Nachsicht entgegen. Sie konnte und wollte ihm nicht verzeihen, daß er sie gezüchtigt hatte, aber jetzt waren sie so ziemlich quitt, nachdem sie seinen Stolz verletzt hatte wie er ihren und ihm auch die körperlichen Schmerzen heimgezahlt hatte. Während sie beobachtete, wie er den Weinkrug leerte, entschied sie, daß es in dieser prekären Situation wohl am klügsten war, ihn nicht mehr weiter zu provozieren, sonst würde er am Ende noch seinen Entschluß, sie irgendwann ins Kloster zurückzubringen, ändern.
    »Ich müßte Euch den Bart abrasieren, Sire«, sagte Gawin, »sonst kann ich die Wunde, die ich nähen soll, nicht richtig sehen.«
    »Dann rasier ihn ab«, brummte Royce, »du bist schon nicht gut mit der Nadel, wenn du genau siehst, was du tust. Ich habe überall Narben, die das beweisen.«
    »Eine Schande, daß sie Euch im Gesicht erwischt hat«, bekräftigte Gawin, und Jenny hatte das Gefühl, daß sie im Moment für den Knappen gar nicht existierte. »Es hat sowieso schon genügend Narben«, fügte er hinzu, als er ein scharfes Messer holte und eine Schüssel Wasser zum Rasieren bereitstellte.
    Der Junge verstellte Jenny die Sicht auf den Wolf, als er sich ans Werk machte, und während die Minuten langsam verstrichen, versuchte sie, eher unbewußt, einen Blick auf Royce zu erhaschen, indem sie sich mal auf die eine, mal auf die andere Seite neigte. Sie war neugierig, welches grimmige, grausige Gesicht dieser dichte schwarze Bart verdeckt hatte. Oder war der Ärmste vielleicht mit einem fliehenden Kinn geschlagen? fragte sie sich und lehnte sich weiter nach links, um sich Gewißheit zu verschaffen. Kein Zweifel, er hatte sein fliehendes Kinn hinter dem Bart versteckt, dachte sie und neigte sich so weit nach rechts, daß sie fast das Gleichgewicht verlor, als sie um den Knappen herumzuspähen versuchte.
    Royce hatte ihre Gegenwart nicht vergessen, und er traute ihr auch nicht über den Weg - erst recht nicht jetzt, da sie sich als dreist genug erwiesen hatte, ihm an Leib und Leben zu gehen. Er beobachtete sie aus den Augenwinkeln, sah, wie sie sich krümmte und wand, und trug seinem Knappen in spöttischem Ton auf: »Rück ein Stück zur Seite, Gawin, damit sie mein

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