Im Koma
ihr Atem stoßweise ging, während sie zu der runden Lampe an der Decke starrte und versuchte, sich zu beruhigen.
Ich komme hier raus. Ganz bestimmt. Ich werde es schaffen.
Sie hörte Warrens Schritte im Flur und wusste, dass er gleich nach ihr schauen würde. Sie befahl sich, die Augen zu schließen, weil Warren selbst in dem schwachen Licht sofort erkennen würde, dass sie sehen konnte, ein Risiko, das sie nicht eingehen durfte. Und trotzdem konnte sie die Augen nicht zumachen, weil sie schreckliche Angst hatte, dass ihr Augenlicht wieder verschwinden und sie beim erneuten Öffnen nur die nunmehr vertraute Finsternis sehen würde.
Warren betrat das Zimmer.
Casey atmete tief ein, murmelte ein stummes Gebet und schloss die Augen.
»Hallo, Schatz, wie geht's dir?« Als er sich auf die Bettkante hockte, konnte Casey den Alkohol in seinem Atem riechen. »Ich konnte mal wieder nicht einschlafen, da dachte ich mir, ich schau mal, was du so treibst. Scheint so, als würde ich unsere kleinen Gespräche schon jetzt vermissen.« Er rieb ihr Bein. »Deine Atmung kommt mir ein bisschen mühsam vor. Was ist das? Du wirst mir doch nicht wegsterben, oder?« Er lachte. »Ich meine, wäre das nicht ironisch? Wenn du ganz von allein stirbst nach allem, was du mir in den letzten Monaten zugemutet hast.« Casey spürte, wie er den Kopf schüttelte. »Das wäre wirklich was, oder? Aber wenn das der Fall sein sollte, wäre ich dir sehr dankbar, wenn du noch bis morgen früh durchhalten könntest, wenn die Krankenschwester kommt. Meinst du, bis dahin kannst du noch warten? Vielleicht noch, bis ich das Haus verlassen habe? Auf diese Weise würde niemand einen Verdacht gegen mich schöpfen oder mich unziemlicher Handlungen bezichtigen.« Er stand auf und ging zum Fenster. »Wir haben fast Vollmond, ziemlich spektakulär. Was sagt man noch über den Vollmond? Er bringe das Tier im Menschen zum Vorschein?« Diesmal war sein Lachen eher ein Achselzucken. »Wusstest du, dass bei Vollmond tatsächlich mehr Verbrechen begangen werden als zu jeder anderen Zeit eines Monats? Interessant, nicht wahr? Das hat bis jetzt noch niemand erklären können.
Deine Schwester hat übrigens vorhin angerufen«, fuhr er nach einer Pause fort. »Sie wollte mit Lola vorbeikommen. Ich hab ihr erklärt, dass das großartig wäre, wir könnten eine Pizza bestellen und im Garten picknicken. Sie fand es super, und weißt du was? Ich auch. Ich meine, warum sollte ich Zeit und Energie damit verschwenden zu kämpfen, wo ich doch bekanntermaßen eher Liebhaber als Kämpfer bin.« Er lachte erneut, ein lauter Ausstoß, der von der Wand prallte und neben Caseys Kopf auftitschte wie ein Flummi. »Ich habe in letzter Zeit viel über die Situation mit Drew nachgedacht, bis mir mit einem Mal klar geworden ist, dass es im Grunde ganz einfach ist, sodass ich nicht weiß, warum ich nicht schon früher draufgekommen bin. Wahrscheinlich weil ich so sauer auf alles war. Aber jetzt erkenne ich, dass Drew wie ein trauriges kleines Hündchen ist, das bloß geliebt werden will, während alle sie immer bloß in die Gosse zurücktreten. Anstatt mich in die Masse einzureihen und sie wie ein Stück Scheiße in Gucci zu behandeln, wie sie es von den Männern in ihrem Leben gewohnt ist, habe ich also beschlossen, sie wie eine Prinzessin aus einem von Lolas Märchen zu behandeln. Ich werde in glänzender Rüstung auf einem weißen Pferd vorreiten und sie überwältigen.
Wie, fragst du dich vielleicht. Nun, ich sag es dir, auch wenn die Klugheit gebietet, den Mund zu halten.« Er lachte. »Aber was soll's. Ich bin betrunken, und nach Sonntag bist du eh nicht mehr da. Und wenn du traurigerweise verstorben bist, ist es an mir, die kräftige Schulter zu bieten, an der deine Schwester sich ausheulen kann. Der trauernde Witwer tröstet seine gramgebeugte Schwägerin. Absolut verständlich. Und mitfühlend. Wie will sie dem widerstehen? Wie sollte sie sich nicht in mich verlieben?
Und wer würde eine solche Liebe verurteilen?«, fuhr er fort, als würde er ein Plädoyer vor den Geschworenen halten. »Eine Liebe, geboren aus der Trauer, dem geteilten Verlust. Das ist doch perfekt, findest du nicht auch? Natürlich lassen wir es langsam angehen und warten ein Jahr, bevor wir unsere Verlobung bekannt geben, rasch gefolgt von einer kleinen, aber stilvollen Hochzeit. Mit Lola als Blumenmädchen. Vielleicht bitten wir sogar Gail und Janine, Brautjungfern zu werden. Naja, Janine vielleicht lieber
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