Im Koma
nicht.
Jedenfalls heiraten Drew und ich und leben glücklich bis ans Ende unserer Tage. Zumindest ein Jahr oder zwei. Und dann kommen Mutter und Tochter durch eine weitere grausame Wendung des Schicksals ums Leben, als ihr Segelboot in den tückischen Gewässern vor der mexikanischen Küste kentert; bei dem Versuch, die beiden zu retten, ertrinkt der verzweifelte Ehemann beinahe selbst. Ich sehe die Schlagzeilen schon vor mir.
Natürlich wird es Getuschel um die Umstände ihres Todes geben. Du weißt ja, wie die Leute reden. Klatsch und Tratsch sind dir nicht fremd, du bist schließlich damit aufgewachsen. Aber was hat dein Vater immer gesagt? Scheiß auf Klatsch und Tratsch! Zeigt mir einen stichhaltigen, konkreten Beweis. Es wird vermutlich Leute geben, die die Wahrscheinlichkeit anzweifeln werden, dass der Blitz zweimal an derselben Stelle einschlägt und zwei wohlhabende Schwestern bei verschiedenen, aber gleichermaßen tragischen Unfällen ums Leben kommen. Und Detective Spinetti wird garantiert wieder rumschnüffeln. Aber das dürfte kein Problem sein: Seine Ermittlungen werden auch dieses Mal wieder in einer Sackgasse enden. Und mit ein paar Monaten Argwohn für ein Leben in Luxus kann ich gut leben. Diesmal muss ich das Geld nicht einmal teilen. Es wird alles mir gehören. Alles, wofür dein Vater gearbeitet, betrogen und gestohlen hat. Denn dein Vater war wirklich kein besonders netter Mann, Casey. In seinem Fall waren aller Klatsch und Tratsch restlos wahr. Das weiß ich, weil ich seine Karriere über Jahre verfolgt habe. Jedes Detail habe ich aufgesogen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich ihn bewundert habe, wie sehr ich sein wollte wie er. Ich habe an der Uni sogar ein Referat über ihn geschrieben. Ich glaube nicht, dass ich dir das je erzählt habe, oder? Nein, natürlich nicht. Dir hatte ich ja erzählt, dass mir der Name Ronald Lerner überhaupt nichts sagen würde.«
Casey spürte, wie ihre Augenlider unentschlossen flatterten. Sie wollte diesen Mann sehen, den Mann, den sie geliebt und geheiratet hatte und der sie betrogen und getäuscht hatte, der sie manipuliert, benutzt und zuletzt versucht hatte, sie zu zerstören. Sie musste, wenn schon sonst nichts, sein Gesicht sehen - die groteske Fratze hinter der Maske des Märchenprinzen - ein letztes Mal, bevor sie starb.
Es war riskant, das wusste sie. Was, wenn er nicht mehr auf den Mond starrte? Was, wenn er sie direkt ansah? Konnte sie ihm vormachen, dass sie immer noch nichts sah? Konnte sie ihn nur ein paar Sekunden lang so leicht täuschen, wie er sie mehr als zwei Jahre lang getäuscht hatte?
Langsam und vorsichtig öffnete Casey die Augen.
Er stand am Fenster und starrte zwar nicht mehr in die Nacht, hatte jedoch einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand fixiert, sodass sein attraktives Profil sich markant vor dem Hintergrund des fast vollen Monds abzeichnete.
Er sah genauso aus wie immer, dachte Casey und unterdrückte einen so tiefen sehnsüchtigen Seufzer, dass sie um ein Haar laut gestöhnt hätte. Sehnsucht wonach, fragte sie sich ungeduldig. Sehnsucht nach dem Leben, das sie gehabt und verloren hatte? Ein Leben, das auf Lügen und Täuschung aufgebaut war? Wie konnte sie sich nach einem Mann sehnen, der nur sehnsüchtig auf ihren Tod wartete?
Aber so war es - sie spürte Sehnsucht, vermischt mit Angst, Wut und Verachtung, aber nichtsdestoweniger Sehnsucht. Konnte es irgendeinen Zweifel geben, dass Drew demselben magischen Sog erliegen würde? Sie waren schließlich beide Ronald Lerners Töchter, und er hatte sie allzu gut für Männer wie Warren Marshall vorbereitet.
Warren seufzte und strich sich durch sein volles, braunes Haar, das länger war als beim letzten Mal, als Casey es gesehen hatte. Er zog die Kordel seines seidenen Bademantels fester, eins von einem Dutzend Geschenken, die Casey ihm zum letzten Weihnachtsfest gemacht hatte, und seufzte erneut. »Und was hältst du von meinem neuesten Plan, Casey?«, fragte er und fuhr herum.
Sofort schloss Casey die Augen.
»Meinst du, es klappt?« Er trat an ihr Bett. »Glaubst du, Drew fällt genauso auf meine Märchenprinz-Nummer rein wie du? Glaubst du, sie wird einwilligen, Mrs. Warren Marshall, die Zweite, zu werden? Ich denke schon«, sagte er ohne Zögern. »Okay, dann gehe ich jetzt wohl wieder ins Bett. Mir die ganze Zeit selbst auf die Schulter zu klopfen war doch anstrengender, als ich dachte.« Er beugte sich vor und küsste Casey seitlich auf den Mund.
Casey
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