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Im Koma

Titel: Im Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
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Jahren von einem Franzosen erschaffen wurde und den Triumph der Monarchie über den Pöbel der Demokratie symbolisieren soll.
    Klingt wie ein Satz aus Middiemarch, wenn ich es mir recht überlege. Jedenfalls haben wir uns in ein langes Gespräch über Kunst verwickelt, er fragt mich, ob ich Lust hätte mit ihm die neue Ausstellung im Art Institute anzusehen, und ich höre mich Ja sagen.
    Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich lasse mich von einem wildfremden Mann ansprechen. Noch dazu auf der Straße. Ich meine, so etwas mache ich sonst nie.
    Jedenfalls sind wir ein paar Abende später in die Ausstellung gegangen - deutsche Expressionisten, wirklich sehr gut -, und anschließend hat er mich in das mexikanische Restaurant in der Lancaster Avenue eingeladen. Warrens Sportstudio ist doch auch in der Lancaster Avenue, oder?«
    »Jedenfalls haben wir den ganzen Abend geredet. Oder zumindest bis elf, dann musste er seinen Babysitter ablösen. Aber bevor er mir eine gute Nacht gewünscht hat - und er hat nicht versucht, mich zu küssen oder irgendwas -, hat er mich gefragt, ob wir wieder was zusammen unternehmen könnten, und ich habe wieder Ja gesagt. Und ehe ich mich's versehe, ruft er jeden Tag an, wir sind noch mal ausgegangen, und nach der dritten Verabredung hat er mir zum Abschied auch einen Kuss gegeben. Und es war toll, Casey, einfach absolut irre. Mit genau richtig viel Zunge. O Gott. Ich kann nicht glauben, dass ich das tatsächlich laut ausspreche. Klinge ich sehr jämmerlich?«
    Du klingst wie eine Frau, die dabei ist, sich zu verlieben.
    »Aber jetzt redet er davon, dass wir vielleicht mal ein Wochenende wegfahren sollten, was bedeutet, er erwartet, dass ich mit ihm schlafe. Ich meine, ich glaube nicht, dass er sich getrennte Zimmer vorstellt, oder? Und es ist auch nicht so, dass ich nicht mit ihm schlafen will. Versteh mich nicht falsch. Aber es ist Jahre her, seit ich mit einem Mann zusammen war. Seit Mike, Herrgott noch mal. Auch wenn es immer heißt, es sei wie Fahrradfahren. In Fahrradfahren war ich sowieso nie besonders gut. Weißt du noch, wie ich, als wir klein waren, ständig das Gleichgewicht verloren habe und gestürzt bin? Und die Vorstellung, mich vor diesem Mann auszuziehen, na, ich weiß einfach nicht, ob ich das kann. Was, wenn er einen Blick auf meinen nackten Körper wirft und in den Schuylkill River springt?
    Deshalb brauche ich dich, meine beste Freundin auf der Welt, um mir zu sagen, was ich machen soll, weil ich es wirklich nicht weiß. Und ich kann auch nicht glauben, dass ich hier sitze und rede und rede, weil es so banal klingt, verglichen mit dem, was du durchmachst. Und irgendwie fühle ich mich wie mit Mike. Ich denke ständig, wie kann ich losziehen und mich amüsieren, während du hier im Koma liegst. Wie kann ich lachen? Wie kann ich mir den Luxus erlauben, Spaß zu haben?«
    Weil du es verdienst. Weil das Leben weitergeht. Weil wir nur eine Chance bekommen und nie wissen, was das Schicksal für uns bereithält.
    »Du sollst bloß wissen, dass ich dich sehr, sehr liebhabe, dass ich dich brauche und mehr vermisse, als ich mit Worten ausdrücken kann.«
    O Gail. Ich hab dich auch lieb.
    »Bitte, komm zu uns zurück, Casey. Bitte komm zurück.« Man hörte ein Schniefen.
    »Alles in Ordnung hier?«, fragte eine Stimme von der Tür.
    »Ja, tut mir leid. Sind Sie Caseys Arzt?«
    »Nein, ich bin Jeremy, ihr Physiotherapeut.«
    »Nett, Sie kennenzulernen, Jeremy. Ich bin Gail, Caseys Freundin.«
    »Sehr angenehm, Gail.«
    »Wie geht es ihr?«
    »Sie wird jeden Tag ein bisschen kräftiger.«
    »Das ist gut. Hast du das gehört, Casey? Du wirst jeden Tag kräftiger.« Ich werde kräftiger.
    »Wir werden immer schön weiter daran arbeiten, ihre Muskeln zu aktivieren.« »Ich sollte besser gehen«, sagte Gail. »Damit Sie loslegen können.«
    »Ich kann Ihnen noch ein paar Minuten Zeit lassen, wenn Sie möchten.«
    »Danke.« Nach einer kurzen Pause ertönte ein schüchternes Kichern. »Also das ist mal ein gutaussehender Mann. Du musst wirklich bald aufwachen, Casey. Er lohnt auf jeden Fall einen Blick. Eine Art Mischung zwischen Denzel und Brad. Beinahe so perfekt wie Warren.« Sie beugte sich vor und küsste Casey auf die Wange. »Wir sehen uns morgen.«
    »Wir sehen uns«, wiederholte Casey stumm, und die Worte hallten in den Höhlen ihres Gehirns wider, bis sie zum Gebet wurden.

KAPITEL 13
    »Lester Whitmore, kommen Sie nach vorn«, wieherte der Moderator. »Sie sind der nächste

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