Im Koma
ich dir, was in den letzten Wochen in meinem Leben so alles passiert ist. Und glaub mir, du willst kein Wort davon verpassen, das verspreche ich dir. Es ist ziemlich aufregend. Naja«, schränkte sie ein, »für mich jedenfalls.«
Sie atmete tief ein und wieder aus, und ihr Atemzug kräuselte die Luft im Zimmer wie eine sanfte Welle.
»Ich habe einen Mann kennengelernt.«
Wieder legte sie eine Pause ein. Der Stuhl wurde näher ans Bett gerückt, und eine prickelnde Mischung aus Erdbeer- und Limetten-Aroma kitzelte Caseys Nase. Wahrscheinlich Gails Shampoo, dachte sie und aalte sich in dem wunderbaren Duft.
Ein leises Kichern. »Er heißt Stan. Vielleicht hast du gehört, wie ich ihn Janine gegenüber erwähnt habe, aber ich habe ihr eigentlich nicht viel erzählt. Du kennst ja Janine - sie würde alles wissen wollen und mich mit Fragen bombardieren, und es ist alles noch so frisch, deshalb habe ich Angst, es dadurch irgendwie zu verderben. Ergibt das irgendeinen Sinn?« Gail kicherte erneut. »Also, er heißt Stan Leonard und ist achtunddreißig. Seine Frau ist vor drei Jahren an Brustkrebs gestorben, und er hat zwei Kinder, William, zehn Jahre alt, und Angela, sieben. Er ist Programmierer, hat ein - hypothekenfreies - Haus in Chestnut Hill, und er mag Filme, Theater und Reisen, obwohl er dazu seit dem Tod seiner Frau kaum noch gekommen ist. Und was noch?
Lass mich überlegen. Er ist nicht übermäßig groß, vielleicht zwei, drei Zentimeter größer als ich, was okay ist. Mike war auch nicht besonders groß. Wahrscheinlich könnte er auch ein paar Pfund abspecken, aber nicht zu viele. Eigentlich mag ich ihn so, wie er ist - nicht so perfekt. Ich weiß bloß, dass Janine sagen würde, er könnte ein paar Pfund abspecken, was vielleicht auch einer der Gründe ist, warum ich ihr nicht so viel über ihn erzählt habe. Ich will nicht, dass sie einen Kommentar dazu abgibt. Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich ihn total süß finde. Ja, er hat ein kleines Bäuchlein, und sein Haar dünnt am Hinterkopf aus, aber er hat die schönsten graugrünen Augen, die du je gesehen hast; sie sind wirklich außergewöhnlich. Und wenn er lächelt, zieht er die Mundwinkel nicht nach oben, sondern nach unten, was ich seltsam liebenswert finde, frag mich nicht, warum.« Sie lachte erneut, ein leises Geräusch, dessen Widerhall den Rest ihrer Beschreibung begleitete. »Aber er ist überraschend muskulös. Er trainiert mit Gewichten und hat wirklich unglaubliche Armmuskeln. Nicht wie Arnold Schwarzenegger oder so, aber auf jeden Fall mehr, als man von einem Computer-Freak erwarten würde, obwohl ich finde, er ist gar kein Freak, und ich glaube, das würdest du auch denken.
Ich glaube, du würdest ihn auch süß finden.
Und er ist wirklich nett, Casey. Ich weiß, dass du ihn mögen würdest. Er hat eine Art, sich auf die Ellenbogen gestützt vorzubeugen, wenn er einem zuhört, als ob man der einzige Mensch im Raum wäre. Und das ist keine Masche. Er ist ernsthaft interessiert. Und ich merke, dass ich ihm Sachen erzählen kann, über Mike und so, die ich noch niemandem außer dir erzählt habe. Und er versteht mich, weil seine Frau auch so jung gestorben ist, sodass wir diese Trauer gemeinsam haben. Klingt das rührselig? Dabei ist es das gar nicht. Wir sitzen nicht die ganze Zeit rum, weinen und bemitleiden uns gegenseitig, überhaupt nicht. Genau genommen lachen wir die ganze Zeit. Hört sich das gefühllos an? Ich hoffe nicht.«
Du hörst dich nie gefühllos an.
»Zuerst hatte ich ein echt schlechtes Gewissen. Am Anfang, weißt du. Ich hatte irgendwie das Gefühl, Mike gegenüber illoyal zu sein, selbst nach all der Zeit. Du weißt, dass ich nach Mikes Tod nur ein paarmal mit Männern ausgegangen bin, und auch nur mit Typen, die ich eigentlich nicht richtig attraktiv fand. Deshalb hatte ich auch kein schlechtes Gewissen. Aber mit Stan ist das anders. Hab ich dir erzählt, wie wir uns kennengelernt haben?«
Erzähl.
»Es war auf dem Rittenhouse Square neben der Skulptur von dem Löwen, der die Schlange besiegt. Es war Ende letzten Monats in der Mittagspause. Ich war gerade dabei, ein Tunfisch-Sandwich aufzuessen, das ich mir zu Hause gemacht hatte, ohne eine allzu große Sauerei zu veranstalten, als dieser Typ rüberkommt - Stan -, ein paar Minuten lang die Skulptur betrachtet und sich dann neben mich auf die Bank setzt. Und dann fragt er mich, was sie darstellt. Also habe ich ihm erklärt, dass sie vor mehr als einhundert
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