Im Koma
Schals zu bringen. Sie hatte einige Minuten lang still dagesessen, doch ohne den Konflikt von letzter Nacht: Sie hatte einfach das Gefühl, sie würde »Ja« sagen zu ihrer eigenen Verurteilung: Sie war zu schwach, schreckte allzu furchtsam bei dem Gedanken zurück, sie könnte ihrem Mann einen harten Schlag versetzen, als dass sie etwas anderes hätte tun können, als sich vollständig zu unterwerfen. Sie blieb still sitzen und ließ sich von Tantripp ihren Hut aufsetzen und den Schal umlegen; eine derartige Passivität war unüblich bei ihr...<«
»Okay«, unterbrach Janine ihre Lektüre. »Mehr kann ich für einen Tag nicht ertragen. Ich fürchte, Dorotheas Passivität fängt an, mir auf die Nerven zu gehen. Wie wär's, wenn wir uns etwas Kraftvollerem widmen würden wie zum Beispiel der aktuellen Ausgabe der Vogue, die ich zufällig mitgebracht habe.« Gegenstände wurden bewegt, Seiten umgeblättert. »Wusstest du, dass es in diesem Herbst ein Revival des Hippielooks geben soll? Grauenvoll. Im Herbst? Kannst du dir das vorstellen? Wir haben noch kaum Sommer, und die reden schon vom nächsten Herbst. Das kann ich nicht leiden.« Als sie die Zeitschrift aufs Bett sinken ließ, streifte ihre Hand Caseys.
Casey streckte langsam und behutsam ihre Finger nach Janines aus.
»Wir haben Besuch«, verkündete Warren, der in diesem Moment ins Zimmer kam.
Sofort zog Casey ihre Finger zurück. Hatten sie es bemerkt? Hatte Janine es bemerkt?
»Detective Spinetti«, sagte Janine hörbar überrascht.
Detective Spinetti? Gott sei Dank, dass Sie da sind.
»Miss Pegabo«, begrüßte der Detective sie. »Nett, Sie wiederzusehen.«
Hat Drew Sie angerufen? Sind Sie deshalb hier?
»Gibt es irgendwelche neuen Entwicklungen?«
»Nein, ich fürchte nicht.«
Aber da irren Sie. Es gibt alle möglichen neuen Entwicklungen. Es gibt so vieles, das ich Ihnen erzählen muss.
»Was ist aus Richard Mooney geworden?«, fragte Janine.
»Der Pförtner im Apartmenthaus seiner Mutter hat sein Alibi bestätigt. Er konnte sich erinnern, ihn zum Zeitpunkt von Caseys Unfall gesehen zu haben, also...«
»Caseys Unfall?«, fragte Warren mit bewusster Betonung.
Aber es war kein Unfall. Nein, das war es nicht.
»Wir sind nach wie vor nicht restlos überzeugt...«
Ich sage Ihnen, es war kein Unfall.
»... aber wir haben auch keinen Beweis für das Gegenteil.«
»Sie haben den Wagen, der sie angefahren hat, nicht gefunden?«, fragte Janine.
»Wir fahnden noch danach. Aber realistischerweise muss man wohl davon ausgehen, dass er mittlerweile längst in der Schrottpresse gelandet ist.«
»Und es gibt auch keine neuen Verdächtigen, nehme ich an?«, sagte Warren.
»Ich fürchte nicht.«
Was ist mit den alten Verdächtigen? Was ist mit dem Mann, der direkt vor Ihnen steht? »Aber wir halten die Augen offen.«
Nein, das tun Sie nicht. Sie blicken dem Mann, der das Ganze geplant hat, in die Augen und erkennen es nicht. Waren alle so blind wie Dorothea? Konnte niemand sehen, was doch »ganz klar war«?
»Nicht dass Sie den Eindruck bekommen, wir stellten die Ermittlungen ein. Das tun wir nicht. Manchmal brauchen Fälle ihre Zeit, und wir müssen geduldig auf einen Durchbruch hoffen.«
»Und warum sind Sie dann hier, Detective?«, fragte Warren.
»Ich habe gehört, dass Mrs. Marshall das Krankenhaus verlassen hat, und dachte, ich schau mal vorbei, um zu sehen, wie es ihr geht.«
»Nun, das ist wirklich sehr aufmerksam von Ihnen«, sagte Warren und schaffte es, dabei auch noch aufrichtig zu klingen. »Wie Sie sehen, hat sich ihr Zustand nicht groß verändert.«
Ganz im Gegenteil, er hat sich sehr verändert. Schauen Sie mich an, Detective Spinetti. Schauen Sie mich an.
»Wie kommen Sie zurecht?«
»Ganz gut. Caseys Blutdruck hat uns ein paarmal Sorgen gemacht. Ihr Zustand ist offensichtlich nach wie vor sehr labil.«
Ich bin nicht labil. Fassen Sie meine Hand, Detective Spinetti. Dann zeige ich Ihnen, wie labil ich bin.
»Aber Casey wird gut versorgt. Sie hat eine Krankenschwester und einen Physiotherapeuten, außerdem kommen ihre Freundinnen fast täglich vorbei.«
»Und ihre Schwester?«
»Was ist mit ihr?«
»War sie in letzter Zeit hier?«
»Ja. Warum?«
»Ich frage bloß.«
Sie fragen nach der falschen Person. Drew hatte nichts damit zu tun. »Nun, ich wollte auch nur einen kurzen Höflichkeitsbesuch machen.« »Vielen Dank, Detective, für alles, was Sie getan haben.« Nein, gehen Sie nicht. Schauen Sie mich an. Fassen Sie
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