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Im Krebsgang

Im Krebsgang

Titel: Im Krebsgang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
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war. Vorerst geschah nichts.
Ich kann nur mutmaßen, was den Kapitän von S 13 bewogen hat, bei beschleunigter Überwasserfahrt das Schiff und dessen Begleiter in riskantem Manöver achtern zu umlaufen, um dann von der Küstenseite aus, mit weniger als dreißig Meter Tiefe unter dem Boot, eine Angriffsposition zu suchen. Späteren Aussagen nach wollte er die »Faschistenhunde«, die sein Vaterland überfallen und verwüstet hatten, treffen, wo er sie fand; das war ihm bisher nicht gelungen.
Seit zwei Wochen verlief die Suche nach Beute ergebnislos. Weder nahe der Insel Gotland noch vor den baltischen Häfen Windau und Memel war er zum Schuß gekommen.
Keines der zehn Torpedos an Bord hatte ein Rohr verlassen. Wie ausgehungert wird er gewesen sein. Zudem könnte dem nur auf See tüchtigen Marinesko die Befürchtung im Nacken gesessen haben, man werde ihn sogleich nach womöglich erfolgloser Rückkehr in die Stützpunkthäfen Turku oder Hangö vor das vom NKWD geforderte Kriegsgericht stellen. Nicht nur die letzte Sauftour und sein den Landurlaub überschreitendes Verweilen in finnischen Hurenhäusern konnten ihm angelastet werden; er stand unter Spionageverdacht, einer Beschuldigung, die seit Mitte der dreißiger Jahre in der Sowjetunion bei Säuberungen Praxis gewonnen hatte und durch nichts zu widerlegen war. Allenfalls konnte ihn ein unübersehbarer Erfolg retten.
Nach annähernd zwei Stunden Überwasserfahrt war das Umgehungsmanöver beendet.
S 13 lief jetzt auf Parallelkurs zum feindlichen Objekt, das zur Verwunderung der Turmbesatzung mit gesetzten Positionslichtern keinen Zickzackkurs fuhr. Da das Schneetreiben gänzlich aufgehört hatte, bestand Gefahr, daß die Wolkendecke aufriß und nicht nur der Riesentransporter und dessen Begleitschiff, sondern auch das U-Boot im Mondlicht liegen würden.
Dennoch blieb Marinesko beim Entschluß zum Überwasserangriff. Als Vorteil für S 13 erwies sich, daß die U-Bootortungsanlage des Torpedobootes Löwe - was niemand auf S 13 ahnen konnte - vereist war und keine Reflexe aufnahm. Die englischen Buchautoren Dobson, Miller, Payne gehen in ihrem Bericht davon aus, daß der sowjetische Kommandant die von deutschen Unterseebooten im Atlantik praktizierte Methode des Angriffs in aufgetauchter Position ihrer Erfolge wegen lange geübt hatte und jetzt endlich anwenden wollte; der Überwasserangriff erlaubt bei besserer Sicht schnellere Fahrt und größere Zielgenauigkeit.
Marinesko befahl, den Auftrieb noch weiter zu drosseln, bis der Bootskörper nicht mehr sichtbar war und nur der Turm aus der immer noch schwer bewegten See ragte. Angeblich soll kurz vor dem Angriff von der Brücke des Zielobjekts aus eine Leuchtrakete abgeschossen und sollen Blinksignale gesichtet worden sein; doch dafür gibt es aus deutscher Quelle - den Berichten der überlebenden Kapitäne - keine Bestätigung.
So näherte sich S 13 ungehindert der Backbordseite des Ziels. Auf Anweisung des Kommandanten wurden die vier Bugtorpedos in ihren Abschußrohren auf drei Meter Tiefe eingestellt. Die geschätzte Entfernung zum feindlichen Objekt betrug sechshundert Meter.
Im Periskop lag der Bug des Schiffes im Fadenkreuz. Nach Moskauer Zeit war es dreiundzwanzig Uhr vier, nach deutscher zwei Stunden früher genau.
Bevor aber an dieser Stelle Marineskos Feuerbefehl erfolgt und nicht mehr zurückgenommen werden kann, muß eine überlieferte Legende in meinen Bericht eingeschoben werden. Ein Bootsmann namens Pichur hatte, bevor S 13 den Hafen von Hangö verließ, alle Torpedos mit in Pinselschrift gemalten Widmungen geschmückt, so auch die vier zum Abschuß bereiten Torpedos. Der erste war »Für das Mutterland« bestimmt, der Torpedo in Rohr zwei hieß »Für Stalin«, in den Rohren drei und vier sprachen sich die gepinselten Widmungen auf aalglatter Oberfläche »Für das sowjetische Volk« und »Für Leningrad« aus.So vorbestimmt liefen, nach endlich erteiltem Befehl, drei der vier Torpedos - der Stalin gewidmete blieb im Rohr stecken und mußte in Eile entschärft werden - auf das aus Marineskos Sicht namenlose Schiff zu, in dessen Station für Wöchnerinnen und Schwangere Mutter bei leiser Radiomusik noch immer schlief.
    Während die drei beschrifteten Torpedos unterwegs sind, bin ich versucht, mich an Bord der Gustloff zu denken. Leicht sind die Marinehelferinnen zu finden, die zuletzt eingeschifft und im trockengelegten Schwimmbad einquartiert wurden, gleichfalls in der anschließenden Jugendherberge,

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