Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
landen, ehe der Bursche das Präsidium verlassen könnte.
Freitag, 13. Mai 17:00 Uhr
Belinda Gabrillani war froh, als sie den mit Pendlern voll gepfropften Regionalexpress, der von Aachen bis Dortmund fuhr, auf dem Duisburger Hauptbahnhof endlich verlassen konnte. Jeden Feierabend das gleiche nervige Spiel. Zum Glück musste sie die Enge im Zug nur für zwei Haltestellen ertragen, und ihre Arbeitsstelle im Büro eines mittelständischen Betriebes am Rande der Düsseldorfer Altstadt entschädigte sie.
In einer Traube aus Menschen hastete Belinda Gabrillani die Treppen vom Bahnsteig hinunter. Dorthin, wo etliche Händler auf dem breiten Gang zu den einzelnen Gleisen seit geraumer Zeit die unterschiedlichsten Waren anpriesen. Leider kam sie kaum ungeschoren an ihnen vorbei. Mal lockten ein günstiger Ledergürtel, mal Schuhe im Angebot. Heute hatten ihr es ein Paar schicke Ohrringe mit einem kleinen Jadestein angetan. Natürlich ein Schnäppchen. Wie immer nach einem Kauf nahm sie sich vor, das Geld demnächst etwas besser zusammenzuhalten. Doch bei diesem frommen Wunsch kämpfte sie gegen einen anscheinend sehr mächtigen Feind, der bisher stets gewonnen hatte.
Eilig ließ Belinda ihre jüngste Errungenschaft in der schwarzen Umhängetasche verschwinden, die sie unlängst beim Bezahlen ihrer Schuhe in einem Geschäft auf der Königstraße entdeckt hatte. Danach strebte sie dem Hauptausgang zu. Wie so oft, wenn sie von dem Gang unter den Gleisen in die neu gestaltete Bahnhofsvorhalle trat, richtete sie ihren Blick zur hohen Decke mit den modernen Hängelampen. Nicht wirklich schön, aber nach der Renovierung zumindest hell und freundlich.
Jetzt noch schnell an dem Blumengeschäft auf der rechten Seite vorbei, dann hatte sie es geschafft. Jedenfalls für heute, und sie hatte auf dem Bahnhof weniger als zehn Euro ausgegeben. Mit einem gewissen Stolz lief sie die paar Schritte vom Hauptbahnhof zur Haltestelle am Harry-Epstein-Platz. Bis dorthin gab es keine Geschäfte. Sobald sie in der Straßenbahn nach Meiderich saß, konnte sie für eine knappe halbe Stunde aufatmen. An den Fußweg von der letzten Haltestelle bis zu ihrer kleinen Wohnung in der Von-der-Mark-Straße wollte sie lieber nicht denken. Sie hätte sich einfach nie eine Bleibe in der Fußgängerzone suchen dürfen.
Freitag, 13. Mai 19:00 Uhr
Mit ungutem Gefühl schloss Pielkötter die Tür zu seinem Reihenhaus in Duisburg-Walsum auf. Beim Studieren der beschlagnahmten Akten hatte er einfach die Zeit vergessen. Marianne würde wieder mächtig sauer sein. Er hatte kaum seine Jacke an der Garderobe aufgehängt, da tauchte sie in der Diele auf. Die Wut war ihr deutlich anzusehen.
»Na, lässt du dich noch einmal zu Hause blicken?«, fragte sie voll Ironie.
Pielkötter verabscheute, wenn sie ironisch wurde. Zickig kam sie ihm dann vor. Konnte sie nicht einfach sachlich bleiben? Schließlich versuchte er das ja auch. »Leider kann ich mir die Arbeit nicht nach deiner Freizeit einteilen«, erwiderte er verärgert.
»Freitags ist mein einziger freier Nachmittag in der Woche«, moserte sie.
»Dafür kann ich nichts. Wenn es nach mir ginge, hättest du jeden Nachmittag frei. Du jedoch wolltest ja unbedingt wieder arbeiten. Obendrein hast du den Job immer weiter ausgebaut. Zuerst war nur von einer halben Stelle die Rede. Und wie sieht es jetzt aus?«
»Genau jetzt hätte ich aber Zeit gehabt, während du unbedingt Überstunden machen musstest.«
»Immerhin bin ich nun zu Hause«, erwiderte Pielkötter, wobei er versuchte, möglichst versöhnlich zu klingen. »Falls wir jetzt aber weiter nur streiten, hat das keinen Wert. Dann hätte ich gleich noch länger im Präsidium bleiben können.«
Marianne bedachte ihn mit einer verkniffenen Miene, die alle Versöhnungsversuche auf der Stelle zum Scheitern verurteilte. Wortlos eilte er an ihr vorbei in die Küche. Der Herd sah aus wie leergefegt. Auch sonst konnte er nirgends Spuren erkennen, die auf die Zubereitung einer Mahlzeit schließen ließen. Ein Blick in den Kühlschrank bestätigte seinen Verdacht, dass sein Magen noch etwas länger hungrig bleiben musste. Mit einem Ruck warf er die Kühlschranktür zu.
»Wir wollten heute zusammen bei dem Italiener mit der schönen Aussicht essen gehen«, vernahm er augenblicklich Mariannes Stimme. »Aber das hast du natürlich wieder einmal vergessen.«
»Wir könnten immer noch nach Ruhrort fahren«, erwiderte er mühsam beherrscht.
»Kein Bedarf mehr«,
Weitere Kostenlose Bücher