Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
antwortet Juliane Berger. »Die Präsentationen fanden meist in den Firmen statt.«
»Welche Branchen zählten eigentlich zu Ihrem Kundenstamm?«
»Oh, ganz unterschiedliche. Wir haben die Besitzer von Restaurantketten und mittelständischen Handwerksbetrieben genauso beraten wie einen Verlag für religiöse Bücher.«
»Interessant«, sagte Pielkötter und meinte das wirklich so.
»Ich habe Ihnen noch gar nichts angeboten. Einen Tee vielleicht, Kaffee oder etwas Kaltes?«
»Kaffee wäre gut. Mit Milch und Zucker bitte. Der Kaloriengehalt muss schon stimmen.«
Während Juliane Berger kurz in den Vorraum verschwand, sah sich Pielkötter genauer in dem Besprechungszimmer um. Direkt über ihm hing ein monströses Gemälde. Es zeugte nicht gerade von meisterhaftem Pinselstrich, sofern er das beurteilen konnte, aber ihn beeindruckte die Zusammenstellung der Farben. Beige-, Braun- und Blautöne flossen ineinander. Das Bild hat was Erdiges, dachte Pielkötter, ohne zu wissen, wie er auf diese Beschreibung kam. Jedenfalls hätte er sich Bilder in einem Werbebüro in etwas schrilleren Farben vorgestellt. Die sündhaft teure Einrichtung jedoch entsprach genau seinen Erwartungen.
Ehe er sich weiter umschauen konnte, kehrte Juliane Berger mit zwei Tassen Kaffee zurück. Sie setzte sich ihm gegenüber und sah ihn erwartungsvoll an.
»Wie haben Sie zu Herrn Hamacher gestanden?«, fragte Pielkötter.
»Sie meinen, ob er für mich mehr war als ein Chef, nicht wahr?« Umständlich zupfte sie eine nicht vorhandene Fluse von ihrem grünen Leinenkleid, von dem Pielkötter annahm, es habe ein kleines Vermögen gekostet.
»In gewisser Weise ging unser Verhältnis wirklich über eine normale Geschäftsbeziehung hinaus. Allerdings nicht, wie Sie jetzt vielleicht denken. Cornelius Hamacher war nicht mein Geliebter. Ich glaube, er hat sich nicht einmal für Frauen interessiert.«
»Wie meinen Sie das?«
Juliane Berger rührte in ihrer Kaffeetasse herum. »Wir haben so viel gearbeitet, dass ich eigentlich kein Privatleben hatte, was natürlich auch für Herrn Hamacher galt. Wissen Sie, wir haben mehr Zeit zusammen verbracht als ein durchschnittliches Ehepaar. Deshalb ging unser Verhältnis über eine normale Geschäftsbeziehung hinaus. Für mich jedenfalls.«
Der Zusatz ließ Pielkötter hellhörig werden. »Wären Sie Ihrem Chef auch gerne privat noch nähergekommen?«
»Liebend gerne«, gab sie offenherzig zu. »Entgegen aller Vernunft, denn eine so gute Arbeitsstelle setzt man eigentlich nicht leichtfertig aufs Spiel. Aber wie ich schon erwähnte, Herr Hamacher schien gar nicht an Frauen interessiert zu sein.«
»An Männern?« Lauernd beobachtete Pielkötter ihre Reaktion.
»Nein, nein«, wehrte sie ab. »Das war nicht der Grund. Mein Chef hat eben für seine Arbeit gelebt.«
Automatisch fragte sich Pielkötter, ob es wirklich Menschen ohne Bedürfnis nach Sex und Nähe gab. Vielleicht wollte mancher entweder nur das eine oder das andere. Oder Juliane Berger hatte ihm einfach eine fette Lüge aufgetischt. Womöglich bereute sie inzwischen, ihre Ambitionen so bereitwillig zugegeben zu haben. Hatte sie etwa von einer Konkurrenz erfahren, die außerhalb ihrer Vorstellungskraft gelegen hatte? Eifersucht jedenfalls war ein starkes Motiv. Selbst die Todesart passte dazu. Aber war es denkbar, dass Juliane Berger mit einem Schwert umgehen konnte? Warum hatte sich Hamacher nicht gewehrt? Vielleicht hatte er das seiner Angestellten einfach nicht zugetraut? Vielleicht hatte alles zunächst wie ein Spiel ausgesehen. Als Hamacher dann den blutigen Ernst erfasst hatte, war es bereits zu spät. Pielkötter musste unbedingt noch einmal Karl-Heinz Tiefenbach interviewen, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Frau als Täter infrage kam.
Lauernd beobachtete er, wie Juliane Berger die Kaffeetasse zum Mund führte. Dabei benutzte sie ihre linke Hand. Soweit er sich an den Obduktionsbericht erinnerte, hatte der Rechtsmediziner den Täter mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit als Linkshänder ausgewiesen.
»Hatte Herr Hamacher eigentlich engere Verwandte?«, fragte Pielkötter, als Juliane Berger ihn wegen des längeren Schweigens mit einem seltsamen Blick bedachte. »Uns sind bisher keine bekannt.«
»Das wundert mich nicht«, erwiderte sie. »Er hatte keine. Seine Eltern sind lange tot. Haben ihn wohl auch erst sehr spät bekommen. Die Mutter soll schon über vierzig gewesen sein, der Vater noch viel älter. Wahrscheinlich waren sie
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