Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
deshalb mit der Erziehung total überfordert. Jedenfalls haben sie ihn vor der Pubertät in ein Internat abgeschoben.« Erneut führte sie die Kaffeetasse zum Mund. Unwillkürlich starrte Pielkötter auf ihre linke Hand, dann jedoch rief er sich zur Räson und schaute sie wieder an, was sie als Ermunterung nahm weiterzusprechen.
»Herr Hamacher hat nicht gern darüber gesprochen. Soweit ich mich erinnern kann, nur ein einziges Mal. Nach einem sehr lohnenden Geschäftsabschluss. Da hat er mich in die Lindenwirtin eingeladen. Das Restaurant kennen Sie bestimmt. An der Mülheimer Straße, fast in der Nähe vom Zoo. Urige Einrichtung, aber wir haben draußen im Biergarten gesessen. An besagtem Abend hatte Cornelius Hamacher wohl ein paar Gläschen Wein zu viel getrunken und ist redselig geworden.« Ihr Blick schien mit einem Mal in die Ferne zu schweifen. »Leider habe ich mir darauf direkt etwas eingebildet. Nicht nur, weil er sonst nie aus seinem Privatleben erzählt hat, sondern wegen der ganzen Situation. Sonst hat er mich ja auch nie eingeladen.«
»Hinterher war es sicher schwer für Sie, mit Ihrem Chef weiterzuarbeiten wie zuvor«, erwiderte Pielkötter in verständnisvollem Ton.
»Jedenfalls in der ersten Zeit nach dieser Nacht.« Sie lachte kurz auf, was in Pielkötters Ohren leicht hysterisch klang. »Wie sich das anhört: Nach dieser Nacht . Dabei haben wir doch nur geredet. Nicht einmal bei ihm zu Hause, sondern in der Öffentlichkeit. In einem voll besetzten Biergarten.« Sie seufzte. »Ja, ja, Wunschvorstellung trifft Wirklichkeit, das galt zu oft für meine Beziehung zu Cornelius Hamacher.«
»Wenn ich Sie vorhin recht verstanden habe, gab sich Ihr Chef gegenüber allen Mitmenschen so reserviert. Und er hatte auch keine Freunde, zumindest waren Ihnen keine bekannt.«
»Alles korrekt«, seufzte sie erneut. »Manchmal grenzt es fast an ein kleines Wunder, wie erfolgreich Herr Hamacher war. Unsere Kunden haben ihn einfach aufgrund seiner Kreativität geschätzt, keinesfalls wegen eines herzlichen Umgangstons.«
»Erfolgreich wie er war, hat Herr Hamacher sicher ein kleines Vermögen angesammelt«, erwiderte Pielkötter. »Haben Sie eine Ahnung, wer ihn beerbt, wo doch keine nahen Verwandten existieren?«
»Ich für meinen Teil erbe ein volles Jahresgehalt«, antwortete Juliane Berger ohne zu zögern. »Jedenfalls hat er das zweimal gesagt. Der Rest sollte an ein afrikanisches Kinderheim für Aidswaisen gehen.« Mit einem unüberhörbarem Klack stellte sie die Kaffeetasse auf den Tisch. »Den Täter werden Sie deshalb wohl kaum unter den Erben finden. Ein Jahresgehalt gegen die Aussicht nie wieder eine so gut bezahlte Stelle zu finden. Nein, den Mörder müssen Sie wirklich woanders suchen.«
»Genau dabei sollen Sie uns helfen«, erwiderte Pielkötter ziemlich ungerührt. »Vielleicht kennen Sie irgendwelche Feinde, Personen, die Ihrem Chef schaden wollten oder von seinem Ableben profitieren.«
»Tut mir leid, aber damit kann ich Ihnen nicht dienen. Cornelius Hamacher hatte keine Feinde.«
»Jedenfalls keinen, den Sie kannten«, verbesserte Pielkötter, wobei er sich fragte, inwiefern Eifersucht nicht auch ein mörderischer Feind sein konnte. »Gut, das war es dann fürs Erste.«
Sie begleitete ihn hinaus. »Sicher wundern Sie sich, dass ich vor Ihnen nicht eine Träne vergossen habe«, erwiderte sie an der Tür. »Aber wenn es um Cornelius Hamacher ging, habe ich mich schon immer zusammenreißen müssen.«
»Möglicherweise verlangt er Ihnen das noch ein letztes Mal ab.«
Misstrauisch, vielleicht auch nur verwundert sah Juliane Berger Pielkötter an. »Wie darf ich das verstehen?«
»Sofern wir niemanden finden, der geeigneter wäre als Sie, muss ich Sie leider bitten, Ihren Chef zu identifizieren«, erklärte Pielkötter. »Wie Sie selbst ausgesagt haben, gibt es keine direkten Verwandten oder engeren Bekannte. Sie standen ihm also am nächsten.«
Juliane Berger seufzte mehrmals, wobei ihr Körper einen gewissen Halt an dem Türrahmen zu suchen schien. Ihre Gesichtsfarbe war um eine Nuance blasser geworden, trotz des aufwendigen Make-ups.
»Wenn es sich nicht vermeiden lässt«, entgegnete sie schließlich, als hätte sie sich einem schweren Schicksal ergeben. »Sie werden auch dabei sein, oder?«
»Ich weiche bei der Identifizierung nicht von Ihrer Seite«, erwiderte Pielkötter und wandte sich zum Gehen. Niemals würde er sich ihre Reaktion entgehen lassen wollen, während sie mit dem
Weitere Kostenlose Bücher