Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
gelogen hatte.
»Na, dann«, gebrauchte sie seine Worte. »Hat mich jedenfalls gefreut, dass Sie sich bei mir gemeldet haben.«
»Gern, und bis demnächst einmal«, verabschiedete sich Pielkötter und legte auf.
Aufgewühlt rannte er durch das leere Haus. Nun gut, wenn es doch nur ihre Schwester war, mit der sie ins Theater ging. Trotzdem wurde dadurch nichts einfacher, das war schon die zweite Frau, die ihm den Abend versaute. Hoffentlich hatte er wenigstens Wodka im Schrank. Ansonsten gab es zum Glück immer noch die Bude an der nächsten Ecke.
Montag, 16. Mai 8:30 Uhr
Bis auf einen leichten Schmerz im Hinterkopf fühlte sich Pielkötter an diesem Morgen fit, zumindest nachdem er fünf Minuten kalt geduscht und drei große Kaffee ausgetrunken hatte. Dabei hatte er sich nicht die Mühe gemacht, seinen Abend mit zu viel Wodka und seine Nacht mit zu wenig Schlaf im halbleeren Ehebett zu analysieren.
Zum Glück brauchte er zur Rechtsmedizin weniger Zeit als er einkalkuliert hatte. Das Institut war dem Klinikum Duisburg angeschlossen und lag in Wedau.
Karl-Heinz Tiefenbach würde ihn bereits erwarten. Pielkötter hatte aus dem Auto heraus nachgefragt, und die Sekretärin hatte ihm versichert, dass ihr Chef schon im Haus sei. Andernfalls wäre er zuerst ins Präsidium gefahren.
Trotz seines Anrufs saß Tiefenbach jedoch nicht in seinem Büro. Laut Auskunft eines Mitarbeiters war er mitten in einer Obduktion. Missmutig suchte Pielkötter den entsprechenden Sektionssaal auf. Er mochte keine Obduktionen, nun würde er sich auch noch eine anschauen müssen, die nicht einmal etwas mit seinem Fall zu tun hatte.
Nachdem Pielkötter den bis an die Decke gefliesten Raum be treten hatte, schlug ihm eisige Kälte und ein heute besonders unangenehmer Geruch entgegen. Karl-Heinz Tiefenbach hatte sich in einen grünen OP-Kittel und eine transparente Kunststoffschürze gehüllt. Als er Pielkötter bemerkte, wandte er sich vom Sektionstisch ab und zog eine Schutzbrille von der Nase.
»Mein Arbeitspensum wird leider von der Mordslaune mancher Mitmenschen festgelegt«, scherzte er. »Schon wieder eine Leiche. Nein, keine Angst«, er hatte Pielkötters besorgtes Gesicht bemerkt, »hier geht es ziemlich sicher um Selbstmord.« Eilig streifte er sich zuerst die blauen Gummihandschuhe, dann weiße Einweghandschuhe ab, um Pielkötter zu begrüßen. »Sie haben bestimmt gehofft, mich im Büro anzutreffen?«
Der penetrante Geruch in diesem Trakt würde Pielkötter wie immer stundenlang den Appetit verderben. Natürlich hatte er gehofft, nicht hier runter zu müssen. Das gab er jedoch nicht zu. »Ich wollte sowieso einen Blick in Ihre Kühlboxen werfen. Mich interessiert dieser Narbenring oder Narbenkreis, den Sie im Obduktionsbericht beschreiben. Den muss ich einfach noch einmal persönlich in Augenschein nehmen. Irgendwie werde ich das Ge fühl nicht los, diese seltsame Narbe sei wichtig.«
»Ob wichtig oder nicht, kann ich schlecht beurteilen, aber merkwürdig ist das Ding auf jeden Fall.«
Nachdenklich folgte Pielkötter Karl-Heinz Tiefenbach zu den Kühlfächern. Die folgende Aufgabe gehörte nicht gerade zu den angenehmen seines Berufs. Eigentlich würde es ja ausreichen, am Tatort einen Blick auf die Leiche zu werfen. Beim Mord an Cornelius Hamacher verspürte Pielkötter das seltsame Gefühl, er sollte diese merkwürdige Narbe in Form eines Kreises genauer anschauen.
Mit einem kräftigen Ruck zog Tiefenbach den Rollwagen aus dem Kühlfach. Pielkötter trat neugierig näher. Der Rechtsmediziner schob das grüne Leinentuch, das Cornelius Hamachers Körper womöglich extra wegen Juliane Berger bedeckte, zur Seite und zeigte auf eine Stelle circa zehn Zentimeter unterhalb des rechten Schlüsselbeins. »Sehen Sie, hier haben wir diesen seltsamen Narbenkreis«, erklärte Tiefenbach. »Jedenfalls wirkt der kreisrunde Schnitt nicht gerade fachmännisch. Zumindest hat man kein Skalpell benutzt, wahrscheinlich nicht einmal ein herkömmliches Messer.«
»Was kommt sonst noch infrage?« Pielkötters Interesse wuchs.
»Auf jeden Fall tippe ich auf etwas Breiteres. Sie werden es mir kaum glauben, aber ich habe schon an ein Messer für Linolschnitt gedacht. Natürlich habe ich nicht gewagt, das in den Bericht zu schreiben. Ist vielleicht doch zu weit hergeholt. Aber die Technik kennt man ja aus der Schule. Oder haben Sie das in Münster nicht im Kunstunterricht gemacht?«
»Doch, doch«, erwiderte Pielkötter. »Erinnere mich
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