Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Schläfen. Er betätigte den Lichtschalter links an der Wand, aber der Raum blieb dunkel. Mit ungutem Gefühl verstärkte er den Griff um die kleine Waffe, dann stieß er die Tür weiter auf, um von der Dielenbeleuchtung zu profitieren.
Und dann traf ihn das grelle Licht eines Scheinwerfers. Für eine Sekunde verharrte er starr vor Schreck. Die Zeit genügte. Etwas Dunkles schnellte auf ihn zu. Ehe er klar denken konnte, spürte er einen starken Schmerz in der rechten Hand. Das Rasiermesser fiel zu Boden. Seine Augen, inzwischen an das gleißende Licht ge wöhnt, weiteten sich vor Entsetzen. Unmittelbar vor ihm stand eine Gestalt in schwarzer Kutte und Henkershaube. Dreh jetzt nicht durch, ermahnte er sich. Das ist doch alles nur ein schlechter Scherz. Er versuchte zu kichern, was allerdings eher nach einem Winseln klang. Blut tropfte von seiner Hand auf den teuren Teppich. Vier Finger fehlten. Das sprach für alles andere als einen Scherz. Genau wie das Schwert in der Linken des vermummten Angreifers.
»Was wollen Sie?«, fragte er, obwohl diese Frage eigentlich unsinnig war.
Die Gestalt in der Kutte schwieg.
Fast hätte Sebastian gefragt »warum«, aber in diesem Moment begriff er es nur zu gut. Als hätte die Gestalt seine Gedanken erraten, zeigte die schwarz behandschuhte Rechte auf den Schein werfer. Mit der Linken hielt sie das Schwert, dessen Klinge auf eine Stelle etwas unterhalb seines Bauchnabels zielte.
»Sie können alles von mir haben«, stammelte Sebastian, »wirklich alles.«
Die Gestalt reagierte jedoch nicht. Sebastian fühlte, wie seine Knie langsam nachgaben. Die Angst war fast noch unerträglicher als der Schmerz, der sich nun mit voller Macht in sein Bewusstsein drängte. »Vergib mir«, wimmerte er, bevor er zusammenbrach. Über ihm schien das Schwert zu kreisen. Ehe er noch um Gnade flehen konnte, bohrte sich die Klinge plötzlich in seinen Bauch und zerfetzte seine Eingeweide. Szenen aus seinem Leben zogen im Eiltempo vor seinem geistigen Auge vorbei, dann hauchte Sebastian Lauterbach zum letzten Mal seinen Atem aus.
***
Eine Weile verharrte die Gestalt mit dem Blick auf den Toten. Schließlich zog sie das Schwert aus seinem Leib und fuhr damit kreuz und quer über den Bezug auf dem breiten französischen Bett, bis kaum noch Blut daran klebte. Anschließend verstaute sie die Waffe in der Scheide unter der Kutte, löschte das Licht des Scheinwerfers und verschwand durch die Balkontür nach draußen. Um so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen, war es besser, wenn sie das Haus auf demselben Weg wieder verließ. Zudem verringerte sich beim Rückzug durch den Garten die Wahrscheinlichkeit, von unliebsamen Zeugen gesehen zu werden.
Ohne Hast ließ die Gestalt die Strickleiter herunter, die an einem Haken hinter einem der Balkonstäbe hing. Trotz der Kutte stieg sie behände nach unten. Sie löste die Strickleiter mit einigen Schwierigkeiten und verstaute sie in einem Beutel, dann rannte die Gestalt über den Rasen zum Gartentor. Wenige Meter davon entfernt lag der Boxer. Der Hund regte sich nicht. Wenn jedoch alles planmäßig lief, würde er bald wieder aufwachen, ganz im Gegensatz zu seinem Herrchen. Die Gestalt warf noch einen letzten Blick zurück auf die Villa, dann einen auf den schlafenden Benny. Schließlich verschwand sie im Schatten der großen Bäume des Baerler Buschs.
Mittwoch, 18. Mai 10:00 Uhr
Pielkötter saß an seinem Schreibtisch und stützte den Kopf auf sei ne Hände. Manchmal wurde ihm einfach alles zu viel. Gestern Abend hatte es wieder Streit mit Marianne gegeben und mit dem Fall Cornelius Hamacher kam er trotz der größten Mühe nicht einen einzigen Schritt voran. Auch die Befragung weiterer Kunden hatte keinerlei Anhaltspunkte erbracht. Bei einem Abgleich mit den Informationen der Verbrecherdatenbank »INPOL«, dem Informationssystem der Polizei beim Bundeskriminalamt, hatte der besondere Narbenkreis keine Übereinstimmungen ergeben, und die Suche nach der Waffe galt weiterhin als aussichtslos. Hinzu kam der Druck von oben und den Medien. Solange auf der Stelle zu treten, strapazierte gleichsam Laune wie Nerven. In sei nem Frust kritzelte Pielkötter seltsame Hieroglyphen auf den Notizblock, der vor ihm auf dem Schreibtisch lag.
Plötzlich klingelte das Telefon. Missmutig nahm er den Hörer ab, doch schnell veränderte sich seine Miene. »Das ist ja ein Hammer«, entfuhr es ihm, nachdem er aufgelegt hatte. Eilig riss er sein Jackett von dem
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