Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
den Pielkötter nicht persönlich kannte. »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, verabschiedete er sich nun schnell und verließ das Haus.
War Gisela Gertenbrink nun die rechte oder die linke Nachbarin, fragte er sich draußen. Bei den wenigen Alternativen zog er es vor, nicht wieder in Lauterbachs Villa zurückzukehren, um bei einem der Streifenpolizisten genauer nachzufragen. Das linke Nachbarhaus stammte offensichtlich aus den Sechziger-, Siebzigerjahren, das rechte war relativ neu. Instinktiv steuerte Pielkötter das ältere Gebäude an. Als Besitzer des neuen Hauses hatte er sich automatisch ein jüngeres Ehepaar vorgestellt. Natürlich beide berufstätig, ohne großen Bezug zu den Nachbarn, vor allem ohne Zeit, sich um deren Belange oder um irgendwelche Unregelmäßigkeiten zu kümmern.
Nachdenklich durchquerte er einen gepflegten Vorgarten. Sogar das Moos hatte man offensichtlich aus den Ritzen zwischen den Granitsteinen entfernt. Ein Blick auf das Schild mit den Namen Hermann und Gisela Gertenbrink neben der Klingel verschaffte Pielkötter eine gewisse Genugtuung.
Kurz nachdem er geläutet hatte, öffnete eine recht attraktive Dame, die kaum älter als er selbst zu sein schien. Die graue Kurzhaarfrisur passte gut zu ihrem Typ. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters haftete ihr etwas Jungenhaftes an. Die blauen Augen wirkten sowohl gütig wie aufmerksam.
»Hauptkommissar Pielkötter vom Kriminalkommissariat Duisburg«, stellte er sich mit gezücktem Polizeiausweis vor.
»Kommen Sie nur herein«, entgegnete Frau Gertenbrink. »Ich habe Sie schon länger erwartet.«
In einem großen Wohnzimmer mit Blick in den Garten standen eine Thermoskanne und zwei Kaffeetassen mit Zwiebelmuster auf einem Esstisch bereit. »Sie können auch gerne etwas Kaltes trinken«, erklärte Frau Gertenbrink. »Oder vielleicht einen Tee? Der Kaffee ist allerdings fertig.«
»Kaffee bitte. Mit Milch und Zucker.«
Automatisch wählte Pielkötter den Platz am Kopf des Tisches, von dem er den ganzen Raum am besten überblicken konnte. Auch in Restaurants hatte er eine Vorliebe für diese Position mit Überblick. »Das ist der Neandertaler in mir«, scherzte er gern. In einer Ecke stand ein weißer Flügel, der nicht recht zu der gemütlichen, aber altmodischen Einrichtung zu passen schien. Die drei kleinen gemusterten Kissen auf dem braunen Ledersofa waren alle mit dem akkuraten Knick in der Mitte versehen, was Pielkötter stets ein innerliches Kopfschütteln abrang. Durch das große Fenster zum Garten sah er eine Wäschespinne. Bunte Hemden, Socken und Hosen flatterten lustig im Wind.
Freundlich lächelnd schenkte ihm die Frau des Hauses den Kaffee ein, dann nahm sie genau ihm gegenüber Platz.
»Sie haben also heute Morgen die Polizei verständigt«, stellte Pielkötter fest, wobei er Blickkontakt hielt.
»Ja, so gegen zehn. Da habe ich es einfach nicht mehr ausgehalten. Lauterbachs Boxer hat ja schon eine ganze Zeit lang gekläfft. Wobei gekläfft vielleicht nicht einmal der richtige Ausdruck ist. Eher gejault und gewinselt. Aber sehr laut. Als wir gefrühstückt haben, bevor mein Mann zur Arbeit gegangen ist, habe ich deshalb extra das Fenster zugemacht.«
»Hat der Hund öfter Krach gemacht?«
»Eigentlich hört man den sonst nicht«, erwiderte Frau Gertenbrink nachdenklich. »Aber das herzzerreißende Gejaule hätten Sie sich mal anhören sollen, der hat ja gar nicht mehr aufgehört. Das ist mir dann doch sehr merkwürdig vorgekommen, und ich habe angefangen, mir Sorgen zu machen. Als ich im Garten Wäsche aufhängen wollte, habe ich mal über die Büsche auf das Nachbargrundstück geschaut. Zumindest an einer Stelle ist das gut möglich. Der Hund hat vor der verschlossenen Terrassentür gestanden und wollte offenbar hinein.«
»Warum hat Sie das stutzig gemacht?«, fragte Pielkötter interessiert. »War der Hund um diese Zeit sonst nicht draußen?«
»Im Sommer schon«, antwortete sie, nachdem sie einen Schluck Kaffee getrunken hatte. »Aber Benny hat sich gewöhnlich nicht so angestellt. Futter und Wasser standen wohl immer bereit. Das Tier hat einfach akzeptiert, dass sein Herrchen Termine außer Haus wahrnehmen musste. Deshalb habe ich mich ja gefragt, weshalb der so einen Aufstand macht, wenn doch Herr Lauterbach gar nicht zu Hause ist und ihn nicht hereinlassen kann.«
»Und da kam Ihnen die Idee, dass da etwas nicht stimmt«, bemerkte Pielkötter.
»Natürlich habe ich dabei nicht an einen Überfall oder
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