Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
Schrank. Mit einem doppelten Cognac kehrte sie kurz darauf zurück.
»Dieser komische Narbenkreis«, fuhr sie fort, nachdem sie sich einen ordentlichen Schluck genehmigt hatte. »Im Nachhinein sehe ich den jetzt als Symbol.«
»Wofür?«, fragte Pielkötter hellhörig.
»Für Sebastians Unnahbarkeit«, erklärte sie traurig. »Er stand in der Mitte dieses Kreises, zu dem ich keinen Zugang hatte. Die kreisförmige Narbe hat mich auf Abstand gehalten. Ich denke, irgendetwas hat ihn auch innerlich verletzt.«
»Aber kommen wir zunächst auf die Eltern Ihres Exgatten zurück. Soviel ich weiß, sind sie sehr lange tot.«
»Genau. Als ich Sebastian kennenlernte, lebten sie schon nicht mehr. Sein Vater hat einen tödlichen Herzinfarkt erlitten, wenige Monate, nachdem seine Frau an einem Krebsleiden gestorben war.«
»Welches Verhältnis hatte Ihr Exmann denn zu denen? Hat er etwas erzählt? Gab es besondere Streitigkeiten? Irgendwelche Konflikte, die über das übliche Maß zwischen den Generationen hinausgingen?«
»Leider kann ich Ihnen darüber keinerlei Auskunft geben«, antwortete Annemarie Lauterbach, wobei sie kurz mit den Achseln zuckte. »Er hat mit mir so gut wie nie über seine Eltern gesprochen. Auch darin zeigt sich, wie seltsam er war.«
»Wissen Sie den Namen des Internats?«
» Genau weiß ich es nicht mehr, aber es war irgendwas mit Babel. Ich erinnere mich nämlich, dass Sebastian einmal den Namen erwähnt hat, und ich habe an Sprachen gedacht oder besser daran, dass wir uns nie richtig verstanden haben. Vielleicht Babelshausen oder Babelsberg?«
Eilig notierte Pielkötter die möglichen Namen.
»Das Internat war bischöflich und lag irgendwo im Taunus«, ergänzte sie.
»Ich glaube, damit haben Sie mir sehr geholfen«, sagte Pielkötter, während er sich mühsam erhob. »Da der Weg von Dortmund doch recht weit ist, müssen Sie nicht extra ins Präsidium kommen. Sofern Ihnen noch etwas einfällt, was uns bei den Ermittlungen helfen könnte, melden Sie sich bitte.«
Mit einem traurigen Lächeln nahm sie seine Visitenkarte entgegen. »Ich bin immer wieder gern in Duisburg«, erklärte sie. »Irgendwie mag ich den Rhein und natürlich die alten Bekannten dort.«
»Trotzdem sind Sie nach der Scheidung nach Dortmund gezogen.«
Nachdenklich strich sie sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Hier habe ich eine glückliche Kindheit verbracht. Übrigens habe ich Sebastian ganz in der Nähe kennengelernt. Im Westfalenpark. Nach der Heirat haben wir zunächst in Bochum gelebt. Erst später hat es uns nach Duisburg verschlagen.«
»Warum ist Ihr Mann überhaupt in seine Heimatstadt zurückgekehrt?«
»Aus geschäftlichen Gründen.«
»Verstehe«, murmelte Pielkötter. »Also, nochmals vielen Dank.«
Als er ihr Haus verlassen hatte, spürte er ihren Blick in seinem Rücken. Arme Frau, dachte er.
Donnerstag, 19. Mai 10:00 Uhr
Die Wohngemeinschaft, in der Patrick Lauterbach hauste, befand sich in einer ruhigen Seitenstraße parallel zum Sternbuschweg zwischen Hauptbahnhof und Universität.
Allerdings waren die Parkplätze auch in diesem eher cityfernen Viertel knapp. Deshalb musste Barnowski eine Weile herumsuchen, bis er den Dienstwagen endlich abstellen konnte. Leider war dies nicht sein einziges Problem. Seine Wange war noch leicht geschwollen, das Essen fester Nahrung fiel ihm schwer und er benötigte immer noch die Schmerztabletten, die der Zahnarzt ihm wohlweislich mitgegeben hatte. Am meisten aber wurmte ihn, dass er die Verabredung heute Abend absagen musste. Zum Dreißigsten hatte ein Bekannter zu einem Sektumtrunk an der begehbaren Grubenlampe eingeladen, die man unlängst als Bergbaudenkmal auf einer Halde platziert hatte. Wie er Oliver kannte, würde der Sekt noch in Strömen fließen, wenn die Sonne längst untergegangen war, und die Lampe in leuchtend rotem Licht erstrahlte. Nur leider ohne ihn.
Inzwischen hatte er die WG erreicht, in der Patrick Lauterbach lebte.
Im Treppenhaus empfing ihn der Gestank nach verbranntem Kohl, gemischt mit dem vergleichsweise harmlosen Geruch nach frischer Farbe. Die Wohnungstür im dritten Stock hatte auch schon bessere Tage gesehen, genau wie der Linoleumboden auf den Stufen. Nach dem Bankkonto seiner Erzeuger zu urteilen, hätte sich Patrick Lauterbach durchaus mehr Komfort leisten können, dachte Barnowski. Ein Eindruck, der sich nach dem Betreten der Wohnung noch verstärken sollte.
Zunächst einmal erhielt er jedoch keinen Zugang. Die
Weitere Kostenlose Bücher