Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
schließlich hat sie mich doch verstanden.«
Okay, dachte Barnowski erleichtert, nach einem Alibi brauche ich dann heute wohl nicht extra zu fragen. »Haben Sie mit Ihrem Vater zusammen das Restaurant verlassen oder ist er noch dort geblieben?«
»Wir haben uns draußen auf dem Parkplatz verabschiedet«, erwiderte Patrick Lauterbach wieder mit halb versagender Stimme. »Er hat mir auf die Schulter geklopft. Das hat er vorher so gut wie nie getan.«
»Am besten rufen Sie jetzt Ihre Freundin an«, schlug Barnowski vor, weil ihm auf die Schnelle nichts Besseres einfiel. Eilig erhob er sich. Er mochte keine Tränen, erst recht nicht bei den Personen, die über einen bestimmten Level an Testosteron verfügten.
Vermutlich war Patrick Lauterbach der Letzte, der seinen Vater lebend gesehen hat, überlegte Barnowski, während er durch den Treppenhausmief zügig ins Freie eilte. Abgesehen von dem Mörder natürlich. Trotzdem konnte es nicht schaden, sich die traute Zweisamkeit zwischen Vater und Sohn noch einmal von dem Personal des Fischrestaurants bestätigen zu lassen.
Donnerstag, 19. Mai 11:00 Uhr
»Warum rufst du mich auf der Arbeit an?«, fragte Belinda Gabril lani barsch. »Du weißt doch, dass Privatgespräche in meiner Firma nicht gerne gesehen werden.«
»Kannst du dir wirklich nicht denken, aus welchem Grund der Anruf so wichtig ist?« Nach der vorwurfsvoll klingenden Antwort machte Thomas Gabrillani eine bedrückende Pause. »Unser Vater ist heute Morgen gestorben«, fuhr er mit fast tonloser Stimme fort. »Das Krankenhaus hat mich soeben informiert.«
»Wann genau?«, fragte Belinda sichtlich gefasst.
»Vor einer knappen halben Stunde. Eine Krankenschwester war dabei. Danach haben sie mich sofort angerufen. Und ich dich, nachdem ich mich etwas gesammelt hab.«
»Aha«.
Ein bisschen mehr Trauer hätte unser Vater schon verdient, dachte Thomas Gabrillani im Stillen. »Wann hast du ihn das letzte Mal besucht?«, fragte er laut.
»Vor vier oder fünf Tagen.«
»Obwohl du wusstest, dass er bald stirbt?«
»Schließlich habe ich noch anderes zu tun.«
»Vor allen Dingen Einkaufen«, erwiderte er verächtlich.
»Bis vor Kurzem hattest du selbst kaum Kontakt zu Vater«, gab sie zurück, »und dein plötzliches Interesse an ihm ist mir äußerst suspekt. Aber lassen wir das. Wer kümmert sich jetzt eigentlich um die Formalitäten?«
»Wie es aussieht, bleibt das wohl an mir hängen, oder siehst du das anders?«
»Jedenfalls reiße ich mich nicht darum. Habe auch keinerlei Ahnung davon. Weiß Sina übrigens schon Bescheid?«
»Ich rufe sie gleich an, obwohl sie sich um die Beerdigung kaum scheren wird. Das traue ich ihr nicht zu. Falls Du also keine Einwände hast, nehme ich die Formalitäten in die Hand.«
Statt einer Antwort seufzte Belinda erleichtert.
»Sobald ich Näheres weiß, informiere ich dich«, verabschiedete sich Thomas Gabrillani und legte auf.
Viel Trauer scheint Belinda nicht zu empfinden, dachte er nachdenklich, bevor er erneut eine Telefonnummer wählte. Hoffentlich traf er Sina überhaupt Zuhause an, die Nummer ihrer Firma besaß er nämlich nicht. Zudem verspürte er nicht die geringste Lust, diese aus dem Internet herauszusuchen.
»Was ist passiert?«, hörte er Sina, kurz nachdem er sich gemeldet hatte.
»Vater ist heute Morgen gestorben«, erklärte er mit belegter Stimme. Vergeblich wartete er auf eine Reaktion.
»Hast du mich verstanden? Unser Vater ist heute Morgen gestorben. Das Krankenhaus hat mich vor einer halben Stunde informiert.«
»So, er ist also tot«, erwiderte sie ohne Emotionen.
»Mehr fällt dir nicht dazu ein?«
»Wann ist die Beerdigung?«, fragte sie, ohne auf seine Kritik einzugehen.
»Ich habe noch nicht mit dem Beerdigungsunternehmen gesprochen. Und ich denke, du wirst dich auch nicht um diese Aufgabe reißen.«
»Mach alles so, wie du es für richtig hältst«, erwiderte sie. »Ich bin froh, wenn ich mich darum nicht kümmern muss.«
Thomas Gabrillani seufzte. Seine Schwestern nahmen ihm nicht gerade viel Arbeit ab. Dabei hatte er neulich in einer Zeitschrift g elesen, welche Vorzüge er in seiner Position genau bei dieser Familienkonstellation genießen konnte. Anscheinend war ihre Familie jedoch in vielerlei Hinsicht fern jeglicher Normalität. Er zerriss das Blatt mit Notizen, das vor ihm auf den Schreibtisch lag und warf es ärgerlich in den Abfalleimer.
»Warum bist du eigentlich nicht im Büro?«, fragte er, weil ihm das an einem
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