Im Kreis der Sünder - Kriminalroman aus dem Ruhrgebiet
ist gerade hier, wegen Sebastian. Dann bis heute Abend.«
Gut gemacht, dachte Pielkötter.
»Eine langjährige Freundin«, erklärte Annemarie Lauterbach, nachdem sie das Gespräch beendet hatte. »Im Gegensatz zu meinem Exmann habe ich welche. Gottlob. Ich könnte nie so leben wie er. Pardon, wie er gelebt hat.«
»Zumindest hatte er anscheinend vor Ihrer gemeinsamen Zeit zwei Freunde. Nach der Narbe zu urteilen, muss die Freundschaft sogar über eine gewisses Maß hinausgegangen sein.«
»Anscheinend, wie sich das anhört. Ich jedenfalls kann mir das kaum vorstellen. Sebastian hat ja nicht einmal richtigen Kontakt zu seiner Familie aufgebaut.«
»Immerhin hat er sich nicht damit abgefunden, Ihren Sohn nicht mehr zu sehen.«
»Das hat mich natürlich auch gewundert, aber vielleicht wollte er einfach nur eine gewisse Fassade aufrechterhalten.«
»Leider muss ich Ihnen noch ein paar intimere Fragen stellen«, erwiderte Pielkötter, wobei er sie eindringlich beobachtete. »Wie sah es beispielsweise mit Ihrem Sexualleben aus?«
»Sexualleben?«, wiederholte sie irritiert. »Ah, dass ich nicht lache. Aber warum fragen Sie das? Ich kann mir kaum vorstellen, dass meine Antwort wirklich der Aufklärung dient.«
»Cornelius Hamacher wurde ebenfalls ermordet«, erklärte Pielkötter. »Vielleicht habe ich das vorhin nicht erwähnt. Jedenfalls muss ich wissen, ob es auch bezüglich des Sexuallebens Parallelen gab.«
Unwillkürlich griff Annemarie Lauterbach nach dem Cognac schwenker und leerte ihn in einem Zug. »Genau das berührt einen wunden Punkt«, antwortete sie, nachdem sie Pielkötter mit ihrem Schweigen schon einiges abverlangt hatte. »Sex gab es in unserer Ehe praktisch nicht. Fast grenzt es an ein Wunder, dass Patrick überhaupt zustande gekommen ist.«
»Ihr Exmann hat also so gut wie nie mit Ihnen geschlafen?«, fragte Pielkötter noch einmal nach.
Annemarie Lauterbrach griff erneut zum Cognacschwenker, aber der war leer. Enttäuscht stellte sie ihn wieder vor sich auf den Tisch. »Wahrscheinlich kann ich den Vollzug unserer Ehe an den Händen abzählen«, fuhr sie mit veränderter Stimme fort. »Stellen Sie sich das vor. Dabei waren wir fünfzehn Jahre verheiratet. Als er mich vor der Ehe nicht angerührt hat, habe ich das auf seine religiöse Erziehung zurückgeführt.«
» War Ihr Mann denn sehr religiös?«, unterbrach Pielkötter ihren Redefluss.
»Eigentlich eher nicht«, antwortete sie ernst. »Aber vor der Ehe wusste ich das noch nicht. Zudem habe ich eher an das Internat gedacht. Bischöflich. Wahrscheinlich habe ich mir das alles so zusammengereimt. Oder besser gesagt, zu erklären versucht.« Sehnsüchtig wanderte ihr Blick zu dem Cognacschwenker. Offensichtlich geriet sie für einen kurzen Moment in Versuchung, einfach aufzustehen, um sich ein neues Gläschen einzuschenken. »Sebastian war nicht gerade mein erster Freund«, erklärte sie nach diesem Augenblick der Schwäche. »Jedenfalls war keiner von denen so wie er.«
»Wie erklären Sie sich also dieses eher ungewöhnliche Verhalten?«, fragte Pielkötter interessiert. »Religiöse Gründe schieden nach der Heirat immerhin aus.«
»Anfangs habe ich manchmal über eine heimliche Geliebte nachgedacht, aber eigentlich glaube ich nicht daran.«
»Vielleicht war Ihr Exmann homosexuell.«
»Ich denke, auch das scheidet aus. Sicherlich hätte ich das bemerkt. Männern gegenüber hat er sich niemals auffällig verhalten. Wie gesagt, nach der Heirat hatte ich keinerlei Erklärung mehr für sein sexuelles Desinteresse.«
»Haben Sie denn nie mit ihm darüber gesprochen?«, fragte Pielkötter verwundert.
»Zu Beginn unserer Ehe habe ich mich nicht getraut. Später gab es schon das ein oder andere Gespräch, aber dabei kam nichts Besonderes heraus. Er hat mir erklärt, dass Sexualität für ihn einfach nicht so wichtig sei und ich das eben zu akzeptieren hätte.«
»Trotzdem ging die Scheidung nicht von Ihnen aus.«
»Ich habe wirklich geglaubt, sein fehlendes Interesse an mir hinnehmen zu müssen«, erklärte sie seufzend, »allein schon wegen Patrick. Ich wollte verhindern, dass unser Sohn als Scheidungs kind aufwächst. Natürlich war das sehr schwer für mich. Es fehlte ja nicht nur der Sex. Sebastian ließ mich in keiner Hinsicht an sich heran. In gewisser Weise umgab ihn eine Art Panzer, den ich nicht durchbrechen konnte.« Zwei Tränen rollten an ihren Wangen herunter. Ruckartig erhob sie sich und lief mit dem leeren Schwenker zum
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