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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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hatte.
    Doch heute, während er versuchte, die Cessna ruhig im böigen Nordwind zu halten, betete Dan nicht für seine und Helens Sicherheit. Ein Blick auf die höher gelegenen Regionen von Hope Valley verriet ihm, dass sich die Kunde von Abe Hardings angeblichen Viehverlusten durch Wölfe herumgesprochen hatte. Überall am Fuß der Berge wurden die Herden von ihren Sommerweiden getrieben. Anders als in seinen sonstigen Gebeten bat Dan den Herrn diesmal darum, dass all die Rancher da unten auf ihren Pferden ihre Herden vollzählig und wohlbehalten vorfinden würden.
    Der Schatten des Flugzeugs glitt über die letzten Rancher hinweg. Dan schaute nach vorn, wo die Berge sich wie ein fossiles, schneebestäubtes Rückgrat nach Norden erstreckten. Der Wind hatte den letzten Sommerdunst vertrieben, und der Himmel war klar und grenzenlos blau.
    Dan behielt seine lyrischen Anwandlungen für sich, da er wusste, dass Helen in ihrer jetzigen Verfassung nichts damit anfangen konnte. Sie saß zusammengekauert neben ihm, überprüfte die Funkfrequenzen und verbarg ihr verkatertes Aussehen hinter einer Sonnenbrille und einer verwaschenen Baseballmütze mit der Aufschrift »Minnesota Timberwolves«. Jedes Mal, wenn er sie anschaute, wirkte ihr Gesicht noch einen Ton grüner.
    Sie war mit einem großen Becher schwarzen Kaffee zum Flugplatz von Helena gekommen und hatte ihn gleich gewarnt, dass ihr heute nicht nach Scherzen zumute sei. Sie befand sich sogar in so prekärer Verfassung, dass sie, als sie einige Meilen südwestlich von Hope ihr erstes Signal auffingen, zusammenzuckte und hastig den Lautstärkeregler betätigte.
    Das Signal stammte vom männlichen Jungtier, und bald darauf hatte Helen auch das des Muttertiers gefunden. Beide Signale waren dann am stärksten, wenn das Flugzeug den Wrong Creek überflog, was in gewisser Weise eine gute Neuigkeit war, da sich die Wölfe offensichtlich nicht beim Vieh herumtrieben. Sie schienen sich an der Nordseite des Cañons aufzuhalten, ruhten sich wahrscheinlich irgendwo da oben aus, etwa eine Meile von jener Stelle entfernt, an der das Männchen in die Falle gegangen war. Doch selbst nach drei Überflügen hatten sie die Tiere noch nicht entdeckt.
    Bis auf einige kleine Weiden war der Cañon dicht mit Bäumen bewachsen, und auch wenn der Wind die glänzenden, gelben Blätter von den Erlen riss, blieb das Grün derKiefern und Tannen undurchdringlich. Abgesehen von den Bäumen gab es unzählige felsige Nischen, in denen sich ein Wolf verstecken konnte.
    Sie hatten das Ende des Cañons erreicht, und Dan zog die Maschine nach oben, um wieder eine Kurve zu fliegen. Sogleich wurden sie vom Wind erfasst, so dass das Flugzeug taumelte und Dan froh war, noch kein Frühstück gegessen zu haben.
    »Herrgott, Prior!«
    »‘tschuldigung.«
    »Mit deinen Flugkünsten steht’s immer noch nicht zum besten, scheint mir.«
    »Mit deinem Kater auch nicht!«
    Diesmal flog er niedriger, zog über den Südrand des Cañons und kippte die Maschine ab, damit Helen einen besseren Blickwinkel hatte. Die Signale von der Steuerbordantenne wurden immer deutlicher, und plötzlich deutete Helen hinunter und rief: »Da ist sie!«
    »Das Alpha-Weibchen?«
    »Falls es nicht noch einen Wolf mit so hellem Fell gibt. Und da sind die anderen – vier, nein fünf.«
    Dan beugte sich vor, konnte sie aber nicht sehen. »Wo?«
    »Siehst du das Felsband über den Erlen?«
    Helen sah sie jetzt durchs Fernglas. »Ja, das ist sie, sie trägt das Halsband. Und da ist auch das männliche Jungtier. Mensch, ist das nicht toll?«
    »Du hast gesagt, der junge Calder glaubt, dass es insgesamt neun sind?«
    »Vier ausgewachsene Tiere und fünf Welpen.«
    »Schon irgendeine Spur vom Alpha-Rüden?«
    »Nein. Die da unten sind alle viel zu grau und zu klein. Sieht mir nach vier Welpen und den beiden Tieren aus, denen wir ein Halsband umgelegt haben.«
    Helen griff nach dem Fotoapparat, und Dan flog eine weitere Runde, um ihr Gelegenheit zu geben, mit dem Teleobjektiv ein paar Bilder zu machen. Die Wölfe lagen faul in der Sonne und fühlten sich erst beim dritten Überflug durch das Flugzeug gestört. Jetzt scheuchte das Muttertier die übrigen auf und unter die Bäume.
    In der Hoffnung, auch die anderen drei Tiere zu finden, flogen sie noch eine Weile über den Cañon und die nähere Umgebung, konnten aber keine Spur von ihnen entdecken. Auf dem Rückflug machte sich Helen einige Notizen über das Gesehene und trug Zeit und

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