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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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diskret vorgehen. Die Haare aus dem Kot, den Helen damals gewaschen hatte, stammten von unterschiedlichen Tieren, einige von Rotwild, andere vom Elch, aber auch ein paar von Kälbern, was aber nicht unbedingt bedeutete, dass die Wölfe tatsächlich ein Kalb gerissen hatten; vielleicht hatten sie auch nur einen Kadaver gefunden und davon gefressen.
    Eine Viertelstunde später war Bill Rimmer immer noch nicht da. Helen wurden allmählich die Blicke der Fahrer vorbeikommender Autos und vor allem der beiden Cowboys im Waschsalon peinlich. Vielleicht hatte Rimmer woanders geparkt. Oder er hatte in der Kneipe angerufen, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Sie stieg aus und ging über die Straße.
    Kaum hatte sie das Lokal betreten, bedauerte sie diesen Entschluss. Unter den Wildtrophäen an den Wänden richteten sich etwa ein Dutzend Augenpaare auf sie; nicht eines davon wirkte freundlich, und keines davon gehörte Bill Rimmer.
    Fast hätte sie auf dem Absatz kehrtgemacht. Doch ihr Eigensinn, der sie stets in irgendwelche Schwierigkeitenbrachte, setzte sich durch, und sie fragte sich, warum sie sich hier keinen Drink genehmigen sollte, wenn sie Lust darauf hatte. Also holte
sie
tief Luft und ging geradewegs zur Bar.
    Sie bestellte sich eine Margarita, setzte sich auf einen der Barhocker und steckte sich eine Zigarette an.
    Abgesehen von der Kellnerin hinter der Theke war sie die einzige Frau. Der Laden war überfüllt, doch sie kannte nur Ethan Harding und die beiden Holzfäller, die sie mit Luke oben am Wrong Creek gesehen hatte. Wahrscheinlich waren das die beiden, von denen auch Doug Millward gesprochen hatte. Die drei unterhielten sich am anderen Ende der Theke. Manchmal schauten sie zu ihr herüber, doch Helen beachtete sie nicht, um ihnen keine Gelegenheit zu geben, sie erneut zu ignorieren. Sie kam sich wie eine Aussätzige oder eine Fremde vor, die sich wie in einem kitschigen Western in diese Stadt verirrt hatte. Am liebsten hätte sie die Flucht ergriffen, aber sie wollte ihnen nicht die Genugtuung geben, sie von hier vertrieben zu haben. Sie stellte sich vor, wie alle in Gelächter ausbrachen, wenn sie die Tür hinter sich schloss.
    Sie trank aus, bestellte das gleiche noch einmal, tat, als interessiere sie sich für das Basketballspiel im Fernsehen, und fragte sich, wie sie bloß auf die blöde Idee gekommen war, sich in dieser gottverlassenen Kaschemme blicken zu lassen. Sie trank ihre zweite Margarita viel zu schnell. Der Drink war ziemlich stark. Hätte sie doch vorher etwas gegessen.
    Und dann sah sie im Spiegel über der Theke, wie Buck Calder zur Tür hereinkam. Der hatte ihr gerade noch gefehlt.
    Er drängte sich zur Theke vor. Helen sah ihn im Spiegel und war, ohne es zu wollen, beeindruckt. Sie fragte sich, was die Leute, denen er die Hände schüttelte und auf derenSchultern er klopfte, wohl tatsächlich von ihm hielten. Sie waren wie geblendet von seinem Lächeln und seinen Sprüchen. Helen sah, dass er sie bemerkte, ihren Blick registrierte, und obwohl sie sich sofort abwandte, spürte sie mit wachsender Panik, dass er auf sie zukam.
    »Was ist denn in diese Jungs gefahren? Lassen hier so eine hübsche Frau ganz allein am Tresen sitzen.«
    Helen stieß ein Lachen aus, das sich ein wenig hysterisch anhörte. Er stand direkt hinter ihr und betrachtete sie im Spiegel.
    »Sonst sind diese Jungs ja nicht so schüchtern.«
    Helen wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Der Alkohol schien ihre Schlagfertigkeit zu beeinträchtigen. Neben ihr hatte ein Mann gerade eine Runde bestellt, und als er die Gläser an den Tisch trug, nahm Calder geschickt seinen Platz ein. Jetzt waren sie nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt, und ihre Beine berührten sich kurz. Sein Rasierwasser, das gleiche, das auch ihr Vater benutzte, roch nach Zitrone und verwirrte sie.
    »Darf ich Sie für die mangelnde Höflichkeit der Jungs hier entschädigen und Ihnen einen Drink spendieren?«
    »Nun, danke, aber eigentlich wollte ich mich hier mit jemandem treffen. Ich glaube, er hat …«
    »Margarita, stimmt’s?«
    Über den Tresen gebeugt rief er: »Lori? Bringst du uns ein Bier und eine Margarita? Danke, Schätzchen.«
    Er wandte den Kopf und sah Helen lächelnd von oben herab an.
    »Wollte mich nur für heute morgen entschuldigen.«
    Helen runzelte die Stirn, als wüsste sie nicht, wovon er sprach.
    »Ich weiß, Sie machen nur Ihren Job. Vielleicht war ich ein bisschen grob.«
    »Ach was, ich hab ein dickes Fell

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