Im Kreis des Wolfs
vom hinteren Teil des Saals mit Zwischenrufen zu attackieren. Die lautesten Schreihälse waren Wes und Ethan Harding und die Holzfäller. Abe Harding war zum Glück nirgendwo zu sehen.
Ebenso wenig wie Luke.
Helen hatte, ehe die Versammlung begann, vergebens nach ihm Ausschau gehalten. Seit dem Tag des Wolffangs hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Er war weder in die Hütte gekommen noch in der Nähe gewesen, als sein Vater ihr aufseiner Ranch Vorwürfe wegen der fehlenden Kälber gemacht hatte. Sie war besorgt um Luke, und es überraschte sie, wie sehr er ihr fehlte.
Allmählich kam sie zum Ende ihrer immer wieder unterbrochenen Rede. Sie hatte die Anwesenden darüber informiert, was bislang über die Wölfe bekannt war: Es handelte sich um ein Rudel von neun Tieren, und erste DNA-Proben hatten keine Verwandtschaft mit ihren Artgenossen ergeben, die in Yellowstone oder Idaho freigelassen worden waren. Dann sagte sie noch einige Worte über das Naturschutzprogramm, das den Ranchern für jedes nachweislich von Wölfen gerissene Stück Vieh eine Entschädigung zusicherte. Als sie mit ihren Ausführungen fertig war, bat sie um Fragen.
»Fassen wir noch einmal zusammen: Zwei der Wölfe tragen jetzt ein Halsband, und wir werden alle ihre Bewegungen genau beobachten. Jeder Wolf, der nachweislich ein Stück Vieh reißt, wird umgesiedelt oder getötet. Daran gibt es nichts zu rütteln.« Sie schaute Dan an, der ihr zunickte. »Ich verstehe, dass einige von Ihnen sehr aufgebracht sind, doch wir bitten Sie nur, sich noch eine Weile zu gedulden und …«
»Welche Beweise brauchen Sie denn noch? Wölfe reißen Vieh, Punkt.«
»Nun, Sir, bei allem Respekt: Ich habe im Lauf meiner eigenen Forschungen in Minnesota und auch hier in Montana, etwa in Ninemile Valley nördlich von Missoula, festgestellt, dass Wölfe eng mit Vieh zusammenleben können, ohne ihm etwas anzutun …«
»He, in Missoula sind selbst die verdammten Wölfe liberal!«
Schallendes Gelächter. Helen wartete, bis es verebbte, und gab sich Mühe, weiter freundlich zu lächeln.
»Tja, mag sein, aber ein dortiger Biologe hat ziemlich interessante Forschungen betrieben. Er ließ nicht nur Wölfen, sondern auch Rindern Halsbänder anlegen und fand heraus, dass sich die Wölfe immer wieder unter die Herde mischten, ohne dass es …«
»Blödsinn!«
»Warum zum Teufel lassen Sie sie nicht ausreden?«, rief jemand aus der O. W.-Gruppe.
»Warum zum Teufel kümmert ihr euch nicht um euren eigenen verdammten Kram?«
Buck Calder erhob sich. »Unser Stadtfreund dort hat recht. Wir haben Miss Ross heute Abend hergebeten, also sollten wir auch so höflich sein, sie ausreden zu lassen.«
Helen nickte ihm zu. »Danke. Offenbar ziehen Wölfe wild lebende Huftiere dem zahmen Vieh vor. In einem Zeitraum von sechs Jahren haben sie in der Gegend von Ninemile nur drei Jungtiere und ein Kalb getötet …«
»Und wie kommt es dann, dass sie hier dreiundvierzig Kälber in ein paar Monaten gerissen haben?«, rief Ethan Harding. Beifälliges Gemurmel wurde laut.
»Nun, wir versuchen gerade zu verifizieren, wie viele dieser Verluste auf Wölfe zurückzuführen sind.«
»Soll das heißen, dass wir lügen?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
Buck Calder beugte sich vor. »Vielleicht können Sie uns sagen, Miss Ross, bei wie vielen Kälbern Sie inzwischen ›verifizieren‹ konnten, dass Wölfe ihren Tod verschuldet haben?«
Helen schwieg. Genau diese Frage hatte sie befürchtet. Von den angeblich dreiundvierzig fehlenden Kälbern waren nur fünf Kadaver gefunden worden, und von denen war keiner frisch genug gewesen, um noch die Todesursache feststellen zu können.
»Miss Ross?«
»Wir haben die entsprechenden Arbeiten noch nicht abgeschlossen. Wie Sie wissen, ist die Beweislage hier etwas schwierig …«
»Bis jetzt, meine ich, von wie vielen können Sie bis jetzt mit Sicherheit sagen, dass sie von Wölfen getötet wurden?«
Helen wandte sich hilfesuchend zu Dan um. Dieser räusperte sich, um etwas zu sagen, aber Calder kam ihm zuvor: »Ich denke, das sollte uns Miss Ross persönlich mitteilen. Wie viele?«
»Nun, wie gesagt, die Arbeiten sind noch nicht …«
»Und bis jetzt?«
Im Saal wurde es still, man wartete auf ihre Antwort. Helen schluckte.
»Nun, keine bis jetzt.«
Es kam zu einem Tumult. Alle begannen gleichzeitig zu schreien. Einige der Leute, die einen Sitzplatz hatten, sprangen auf. Die eifrigste O. W.-Anhängerin und Ethan Harding standen sich Aug in Aug
Weitere Kostenlose Bücher