Im Kreis des Wolfs
Stirn und betrachtete ihn genauer.
»Wissen Sie was? Ich glaube, er hat mehr Ähnlichkeit mit Ihrer Mutter.«
Buck Calder setzte sich hinten in der Auktionshalle ans Ende der langen Holzbank und ließ den Blick über die Reihen weißer Hüte zur Arena hinunterschweifen, in der gerade eine Herde junger Black-Angus-Kühe zu einem absurd hohen Preis verkauft worden war und sich nicht vom Platz treiben lassen wollte.
Es waren große, plumpe Tiere, und Buck begriff nicht,warum irgend jemand mit einem Funken Verstand sie kaufen konnte. Es gab zwar das eine oder andere im Leben, wo Größe zählte, aber bei Kühen war das nicht so. Den höheren Preis zahlte man doch bloß für Knochen. Erstaunlich, aber einige Leute schienen das einfach nicht zu kapieren. Wenn ein Tier nur groß und schwarz war (neuerdings die Modefarbe für Kühe, wie für alles andere auch), glaubten sie automatisch, es wäre etwas Gutes.
Der junge Rancher neben ihm, der sich für die Auktion feingemacht hatte, grinste. Buck nahm an, dass er das gleiche dachte.
»Dem Herrn sei Dank für diese Dummköpfe«, sagte Buck und sah, wie das Grinsen verschwand.
»Wie?«
»Zahlen gutes Geld für solche Knochenhaufen.«
»Die hab ich selbst aufgezogen.«
»Ah!«
Er überlegte noch, wie er sich aus der Affäre ziehen konnte, als der Mann bereits aufstand und sich an ihm vorbeidrängte, um zu gehen. Ach, was soll’s, dachte Buck und sah wieder zur Arena hinunter.
Die Arena war ein Sandplatz, etwa sieben Meter im Durchmesser und umgeben von einem hohen, weißen Geländer. Im Moment liefen zwei junge Cowboys auf dem Platz herum und versuchten, die störrischen Kühe, die sich nicht von der Stelle rührten, hinauszutreiben. Die Cowboys hielten lange weiße Stöcke mit orangefarbenen Fähnchen in Händen und hieben und stießen damit nach den Jungkühen. Doch die einzige Bewegung, die sie damit auslösten, fand in den Därmen der Tiere statt. Einer der Cowboys rutschte auf dem Ergebnis seiner Bemühungen aus, und das Publikum brüllte vor Lachen.
In der kleinen Kabine im Hintergrund des Platzes beugtesich der Auktionator, ein wendiger junger Mann mit Schnauzbart und scharlachrotem Hemd, zum Mikrofon.
»Hey, Leute, da sag noch einer, dass wir euch keine gute Show bieten.«
Buck kam nur drei- oder viermal im Jahr nach Billings zur Auktion, hatte aber immer großen Spaß. Es war ein langer Weg, dreieinhalb Stunden Fahrt, und die Preise waren auch nicht günstiger als anderswo, aber es tat gut, mal wieder fortzukommen, sich auf dem Markt umzusehen und die Kontakte in dieser Gegend zu pflegen. Der Kontakt, den er am liebsten pflegte, war der zu Lorna Drewitt, Lukes ehemaliger Sprachtherapeutin.
Meist aßen sie zusammen zu Mittag und nahmen sich dann für ein paar Stunden ein Motelzimmer. Das hatten sie auch heute vor. Buck warf einen Blick auf die Uhr. Es war schon kurz nach zwölf, aber die beiden Jungbullen, die er heute Morgen im Trailer hergebracht hatte, kamen als nächstes dran. Im Frühjahr waren sie für Calders jährlichen Bullenverkauf noch nicht so recht in Form gewesen.
Endlich hatten die Kühe den Weg nach draußen gefunden, und wie auf ein Stichwort zeigte sich der erste seiner beiden Bullen. Er stürmte so schnell auf den Platz, dass der arme, kuhfladenbeschmierte Cowboy hinter einen der Wellblechschirme hechten musste, die man zu diesem Zweck aufgestellt hatte. Donnernd krachte der Schädel des Bullen gegen das Metall. Fehlte nur noch, dass er Dampf aus seinen Nüstern blies. Buck hätte am liebsten laut
Olé!
gerufen!
Vierzig Minuten später lenkte er stolz seinen leeren Trailer zurück auf den Highway. Das Motel, in dem er sich mit Lorna Drewitt treffen wollte, lag direkt an der Interstate 90, und er brauchte bis dahin knapp fünf Minuten. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie einem Bekannten auffallensollten, stellte er Truck und Trailer so ab, dass sie auf den ersten Blick nicht zu sehen waren, und ging dann ins Motel.
Lorna wartete bereits in der Lobby auf ihn und las eine Ausgabe der
Billings Gazette.
Vor sechs Jahren war sie hergezogen, damals, nach diesem unglückseligen Tag, an dem Luke sie im Büro überrascht hatte. Allerdings war der Junge noch zu jung und naiv gewesen, um zu ahnen, was sich da abgespielt hatte. Jetzt war Lorna fast dreißig und sah so sexy aus wie noch nie.
Sie entdeckte ihn, stand auf und legte lächelnd die Zeitung weg, während er auf sie zuging. Er umarmte sie, und sie warf den Kopf in den Nacken
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