Im Kreis des Wolfs
mit dem aufschraubbaren Schalldämpfer und dem Lasernachtsichtgerät, den Empfänger, mit dem er halsbandtragende Wölfe aufspürte, und die M44-Zyanidgas»killer«, das einzige Gift, das er allerdings nur selten einsetzte, da er wusste, wie sehr sein Vater dies missbilligt hätte. Er hatte fast einen Monat gebraucht, um alles wieder auf Vordermann zu bringen.
Er trank den letzten Schluck Milch. Ihm war ebenso kalt wie zuvor, also schwang er die Beine auf die Pritsche, legte sich hin, immer noch mit Mantel, Mütze, Stiefeln und Handschuhen, und deckte sich mit Wolfsfelldecken und dem alten Quilt zu, den Winnie einmal für ihr gemeinsames Bett genäht hatte. Anschließend löschte er die Lampe.
Er lag reglos da und versuchte, sich von der Kälte abzulenken, indem er an den Job dachte, mit dem er morgen beginnen wollte. Sein letzter Auftrag war eine Weile her, docher zweifelte nicht daran, der Aufgabe gewachsen zu sein. Trotz seines Alters konnte er sich noch mit den Jungen messen.
»Reichen wir uns die Hände«, sagte Buck Calder.
Sie saßen alle am langen Tisch, der im Wohnzimmer aufgestellt worden war. Dampfschwaden stiegen von dem riesigen, goldbraunen Truthahn auf, der inmitten einer Vielzahl von Schüsseln auf einer Platte thronte. Helen wandte sich Luke zu, der neben ihr saß, und reichte ihm die Hand. Er griff lächelnd danach und senkte den Blick, damit sein Vater das Gebet sprechen konnte. Einen Augenblick lang war nur das Knistern der großen Scheite im Kamin zu hören.
»Lieber Gott, wir danken Dir dafür, dass Du unsere Vorväter wohlbehalten durch dies große Land geführt und ihnen geholfen hast, unzählige Gefahren und Hindernisse zu überwinden, so dass sie dies, unser Heim, zu einem sicheren Ort machen konnten. Möge ihr Mut und ihre Gesinnung uns leiten, und mögen wir uns der Früchte Deiner Liebe würdig erweisen, die heute vor uns ausgebreitet liegen. Amen.«
»Amen.«
Alle begannen zugleich zu reden, und das Thanksgivingmahl begann.
Sie waren fünfzehn, Kathy Hicks’ Baby mitgezählt, das stolz zwischen seinen Eltern auf einem mit dem Tisch verschraubten Kinderstuhl saß. Lukes Schwester Lane und ihr Mann Bob waren aus Bozeman herübergekommen. Lane war Lehrerin an der Highschool und sah nicht nur wie ihre Mutter aus, sondern war ihr auch charakterlich ähnlich. Bob schien einzig über Grundstückspreise reden zu können, und genau das tat er gerade mit Doug Millward, dermit Hettie und seinen drei Kindern gekommen war. Außer Helen war Ruth Michaels die einzige, die nicht zur Familie oder zum Freundeskreis gehörte; sie wirkte noch viel verkrampfter als Helen.
Helen hatte die Einladung nur auf Lukes Drängen hin angenommen und sich gefragt, wie sein Vater sich verhalten würde, denn sie wusste nicht, ob sie schon genügend Selbstvertrauen besaß, um sich noch einmal mit ihm anzulegen. Doch sie hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Genau wie alle anderen gab sich Buck Calder ihr gegenüber äußerst charmant.
Helen hatte Kathy vor dem Essen beim Tischdecken geholfen und sich zum ersten Mal richtig mit ihr unterhalten. Es beeindruckte Helen, wie intelligent und lustig sie war, doch was sie an Clyde fand, blieb ihr ein Rätsel. Allerdings wusste Helen aus eigener Erfahrung, dass die Partnerwahl für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar war. Als sie sich zum Essen an den Tisch setzten, war Helen, gestärkt durch Lukes Anwesenheit an ihrer Seite, froh, gekommen zu sein.
Sie genoss das ausgezeichnete Essen im Familienkreis und in einem richtigen Heim, auch wenn es nicht ihr eigenes war. Dreimal ließ sie sich vom Truthahn nachgeben, und Doug Millward, der ihr gegenüber saß, machte sich einen Spaß daraus, ihr immer neue Schüsseln zu reichen.
Und erst als ihr Teller leer war, kam das Gespräch auf Wölfe.
»Was ist, Buck?«, fragte Hettie Millward. »Haben Sie in dieser Saison einen Elch geschossen?«
»Nein, Ma’am, hab ich nicht.«
»Er ist noch nie ein besonders guter Schütze gewesen«, flüsterte Doug Millward Helen zu, doch so laut, dass es jeder verstehen konnte, und alle lachten. Dann sagte Clyde:»Ich hab mit Pete Neuberg vom Jagdgeschäft geredet, wisst ihr? Und er meint, es ist die schlechteste Jagdsaison seit Jahren gewesen. Zuwenig Hirsche und Elche. Er sagt, es liegt an den Wölfen.«
Kathy verdrehte die Augen. »Angeblich sind sie auch fürs schlechte Wetter verantwortlich.«
»Können Wölfe denn das Wetter machen?«, fragte der kleine Charlie
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