Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
versank.
    »Ich meine, warum sind wir hier?«, fragte Celia schließlich.
    »He, Schwesterherz, das ist eine ernste Frage.«
    Wütend stieß Celia ihren Arm fort. »Verdammte Scheiße, Helen, hör endlich auf, dich über mich lustig zu machen!«
    Die Champagnerflasche fiel um und lief aus. Helen hatte ihre Schwester noch nie so verärgert gesehen. Jedenfalls hatte sie nie zuvor solche Worte in den Mund genommen.
    »Entschuldige, tut mir leid.«
    »Ich meine, ich weiß, dass du Bryan und mich bloß für langweilige, kleine Yuppies hältst und dass du diejenige bist, die wirklich lebt, immer nah am Abgrund, dort, wo’s um was geht.«
    »Das sehe ich nicht so, wirklich nicht …«
    »O doch. Und du tust auch immer so, als hättest nur du allein wahre Gefühle, als wärst du die einzige, die Leidenschaft und Schmerz empfindet, die einzige, die gelitten hat, als Mom und Dad sich trennten, und ich bin bloß die kleine Madam Ordentlich, immer lächelnd, mit meiner hübschen kleinen Familie, dem hübschen kleinen Haus und dem hübschen kleinen Leben. Aber so ist das nicht, Helen. Manchmal fühlen wir auch etwas, manchmal wird uns auch weh getan, verstehst du?«
    »Ich weiß, ich weiß.«
    »Weißt du das wirklich? Vor zwei Jahren hatte ich Brustkrebs.«
    »Du hast
was
gehabt?«
    »Keine Sorge, es ist vorbei. Man hat ihn frühzeitig erkannt, ich bin ihn wieder los.«
    »Mein Gott, Celia. Du hast kein Wort gesagt …«
    »Warum sollte ich? Man muss sich nicht in seinem Leid suhlen. Man kann mit dem Leben auch einfach weitermachen. Das ist eben der Unterschied zwischen uns. Und icherzähle dir das jetzt auch nur, damit du siehst, dass du kein Monopol aufs Leiden hast. Also bitte, erwarte von uns nicht ständig, dass wir Mitleid mit dir haben.«
    »Das tu ich doch gar nicht.«
    »Tust du wohl. O ja. Du tust wie eine tragische Heldin. Aber das ist völliger Blödsinn. Mit Joel hat’s nicht geklappt, und das ist schade. Aber vielleicht sollte es auch gar nicht klappen. Vielleicht kannst du sogar von Glück sagen, dass du es jetzt schon gemerkt hast. Mom und Dad haben neunzehn Jahre gebraucht, um das herauszufinden.«
    Helen nickte. Sie hatte recht. In allem.
    »Du bist erst neunundzwanzig, Helen. Was hast du eigentlich für ein Problem?«
    Helen zuckte die Achseln und schüttelte den Kopf. Sie war den Tränen nahe, doch nicht aus Selbstmitleid, sondern aus Scham. Weil Celia Krebs gehabt hatte und wegen all der anderen Dinge, die sie gesagt hatte. Celia schien zu spüren, dass sie zu ihr durchgedrungen war. Sie beruhigte sich, lächelte, und jetzt war sie es, die ihre Schwester in den Arm nahm. Helen legte ihren Kopf an Celias Schulter.
    »Ich kann gar nicht glauben, dass du es mir nicht gesagt hast.«
    »Warum sollte ich alle Welt in Aufregung versetzen? Ich bin wieder gesund.«
    »Sie haben ihn herausoperiert?«
    »Ja, schau her.«
    Sie streifte den Badeanzug über ihre Brust. Unter ihrer linken Brustwarze befand sich eine kleine, rosige Narbe.
    »Saubere Arbeit, was? Bryan findet sie richtig sexy.«
    »Du überraschst mich wirklich.«
    Celia lachte. Sie zog ihren Badeanzug wieder hoch und griff nach der Champagnerflasche. Ein letzter Schluck war noch übrig, aber sie wollten ihn beide nicht. Sie stellte dieFlasche wieder hin und umarmte noch einmal ihre Schwester. Es wurde allmählich kühler.
    »Wie heißt er?«
    »Wer?«
    »Marlboro-Mann junior.«
    »Luke.«
    »Luke.«
    »Genau.«
    »Hat er coole Hände?«
    »Er hat schöne Hände.«
    »Was ist mit dem Rest seines Körpers?«, fragte Celia mit anzüglichem Grinsen. »Ist der auch schön?«
    »Na klar.«
    Sie lachten.
    »Er hat mir das hier geschenkt.« Sie zeigte Celia den kleinen, silbernen Wolf, den sie seit ihrer Abreise um den Hals trug.
    »Der ist hübsch.«
    Celia hielt sie im Arm und streichelte sie, wie sie es manchmal mit ihren Kindern tat. Schweigend schauten sie einem Pelikan zu, der zu einem Gleitflug ansetzte und bei den Palmen unten am Strand landete.
    »Weißt du«, sagte Celia, »als ich eben fragte, warum wir hier sind, da dachte ich eigentlich daran, warum wir gerade hier auf Barbados sind.«
    »Wieso?«
    »Die Hochzeit, Herrgott noch mal. Courtney ist fünfundzwanzig, und Dad ist wie alt? Sechsundfünfzig? Okay? Also, was soll die Aufregung? Wenn sie glücklich sind … Weißt du, dass er Buddhist geworden ist?«
    »Dad? Buddhist? Du machst Witze.«
    »Nein, sie sind jetzt beide Buddhisten.«
    »Großer Gott, sie arbeitet doch für eine Bank! Hat sieihn

Weitere Kostenlose Bücher