Im Kreis des Wolfs
Palmen, Rasenflächen bis hinunter zum Strand und dann dieses wunderschöne, blassblaue Meer, das sogar noch schöner aussah als in dem Traum, von dem er ihr nie erzählt hatte. Der Speisesaal war an den Seiten offen und von exotischen Pflanzen eingerahmt. Er versuchte, nicht allzu oft daran zu denken, wie es wäre, mit ihr dort zu sein.
Da sie am nächsten Morgen früh raus mussten, hätte er längst nach Hause fahren sollen. Aber er hatte keine Lust und tat, als müsse er noch etwas Wichtiges am Computer erledigen. Helen saß ihm gegenüber, biss sich auf die Lippen und konzentrierte sich angestrengt auf ihre Näharbeit, so dass er sie betrachten konnte. Sie hatte das Kleid an den Seiten bereits abgenommen und war mit dem Kürzen des Saums schon fast fertig. Manchmal blickte sie auf und ertappte ihn, wie er sie ansah, doch schien es sie nicht zu stören. Mit der neuen Frisur, die sie sich nach dem Kleiderkauf in Great Falls hatte machen lassen, wirkte sie jünger.
Vorhin, gleich nach dem Abendessen, hatte sie das Kleid mit den neuen Schuhen anprobiert und sich mitten in der Hütte auf einen Stuhl gestellt, damit er den Saum für sie abstecken konnte. Es hatte ewig gedauert, weil er so etwas zum ersten Mal machte, vor allem aber, weil sie beide ständig lachen mussten. Sie fanden es ungeheuer lustig, mitten im Winter in einer Berghütte ein Sommerkleid zu kürzen. Und um alles noch komplizierter zu machen, beugte sich Helen mal zur einen, dann zur anderen Seite und beschwerte sich hinterher, dass der Saum nicht gerade abgesteckt war.
Sie würde zehn Tage fort sein.
Sie hatten an alles gedacht. Während sie weg war, würde Luke in der Hütte wohnen, sich um Buzz kümmern und weiterhin die Wölfe im Auge behalten. Helen sagte, wenn er fleißig sei, würde sie ihm am Weihnachtsabend auch einige Stunden frei geben. Seine Eltern waren einverstanden. Helen hatte ihren Plan mit Dan Prior abgesprochen; und der meinte, es sei in Ordnung, solange alles »inoffiziell« bleibe, was, wie Helen erklärte, heißen sollte, dass es ihn nichts kosten dürfe. Dan hatte Luke angeboten, ihn an einem Tag in der nächsten Woche mit dem Flugzeug mitzunehmen, um das Rudel aus der Luft zu beobachten.
Sie war jetzt fertig, biss den Faden ab und hielt dann prüfend das Kleid hoch.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das hier gefunden hast. Das einzige Sommerkleid in ganz Montana.«
»Tja, Shopping ist eben meine ganz große Begabung.«
Sie musste lachen. Buzz begann plötzlich laut zu bellen. Wahrscheinlich hatte er ein Tier draußen vor der Hütte gerochen; das geschah häufig. Helen befahl ihm, still zu sein, stand auf und begann, das Kleid auf dem Bett zusammenzulegen.
»Willst du es denn nicht noch mal anprobieren?«
»Soll ich?«
Luke nickte. Sie zuckte die Achseln.
»Gut.«
Er drehte sich um und tat, als betrachte er den Computerbildschirm, wie immer, wenn sie sich umzog, denn das erregte und beschämte ihn gleichermaßen. Nach dem Kuss war es für ihn mehr als eine Qual. Woher sollte er wissen, was sie für ihn empfand?
Er hatte so wenig Erfahrung in diesen Dingen. Doch die Art, wie sie ihn geküsst hatte, verriet ihm, dass sie längst mehr als nur Freunde waren. Wie sollte er sich verhalten?
Vielleicht hatte sie damals, als sie zusammen im Bett lagen, von ihm etwas anderes erwartet. Aber er war einfach zu unerfahren, mit dem Resultat, dass eben nichts gelaufen war. Und Luke hatte das verzweifelte Gefühl, dass jetzt, wo sie wegfuhr, nie mehr etwas laufen würde.
»Machst du mir das Kleid zu?«
Sie stand mit dem Rücken zu ihm, als er sich umdrehte. Er sah, dass sie den BH wie letztens im Laden ausgezogen hatte. Er machte den Reißverschluss zu und unterdrückte den Wunsch, ihre nackten Schultern zu küssen. Sie ging zu Buzz an den Ofen, drehte sich um, posierte ein wenig spöttisch vor ihm und wartete auf sein Urteil.
»Nun?«
»Du bist w-w-wunderschön.«
Sie lachte. »Nein, Luke, das bin ich nicht.«
»Doch, das bist du.«
Er zog das Geschenk, das er ihr gekauft hatte, aus der Tasche. Die Frau im Laden hatte es ihm in ein kleines Kästchen gelegt und hübsch in goldglänzendes Papier eingewickelt. Er hielt es ihr hin.
»Was ist das?«
»Nichts. Nur … hier.«
Sie nahm das Geschenk, und er schaute zu, wie sie es auspackte. In dem Kästchen lag, sorgsam in weißes Tuch gehüllt, ein kleiner, silberner Wolf an einer silbernen Kette. Sie nahm ihn vorsichtig heraus.
»Ach, Luke.«
»Ist nur eine
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