Im Kreis des Wolfs
unterwegs, um mit ihnen zu schwimmen, zu segeln oder Wasserski zu laufen, während die Schwestern faul in der Sonne lagen, lasen und sich unterhielten. Abgesehen von einem gelegentlichen Spaziergang ans Meer, um sich abzukühlen, hatte ihre größte Anstrengung bisher darin bestanden, Carl, dem attraktiven jungen Strandkellner zuzuwinken, um sich noch einen neuen Rumpunch zu bestellen.
Helen hatte natürlich nicht daran gedacht, ihre Badesachen mitzubringen, also kaufte sie sich im hoteleigenen Laden einen knappen, schwarzen Bikini. Kaum hatte Celia einen Blick auf sie geworfen, da verkündete sie, sie wolle persönlich dafür sorgen, dass Helen etwas Fleisch auf die Knochen bekam. In den ersten Tagen bestellte sie daher ständig Kuchen, Sandwiches und Eis und zwang Helen zu essen. Bei den Mahlzeiten gab es nichts, was nicht vor Kalorien strotzte, und wenn Helens Teller noch nicht leer war, stieß Celia sie unter dem Tisch an.
Das gelbe Kleid fand allgemein Bewunderung, doch die einzige Bemerkung, die Helen in Erinnerung blieb, war die von Courtney, die meinte, wie »bequem« es doch aussehe.
Am Ende eines anstrengenden Tages im Liegestuhl schwammen die Schwestern ohne Hast zu einem kleinen Ponton hinaus, der etwa zweihundert Meter vom Ufer entfernt verankert war, setzten sich darauf, ließen die Beine im Wasser baumeln und betrachteten einen der traumhaften Sonnenuntergänge. Dies wurde zu ihrem abendlichen Ritual, und als einziges Zugeständnis an den ersten Weihnachtstag nahmen sie, während die Hochzeitsparty noch invollem Gang war, zwei Gläser und eine Flasche Champagner mit hinaus zum Ponton.
»Du magst sie nicht, stimmt’s?«, fragte Celia und schenkte ihr ein.
»Courtney? Sie ist okay. Ich kenne sie ja kaum.«
»Ich mag sie.«
»Gut.«
»Und weißt du was? Ich glaube, sie liebt ihn wirklich.«
»Was auch immer das heißen mag.«
Wenn Helen mit Celia zusammen war, spielte sie immer die Zynikerin. Eine solche Bemerkung pflegte ihrer Schwester normalerweise einen sanften Tadel zu entlocken. Doch Helen hatte ihr vor zwei Tagen von Joels Brief erzählt; vielleicht hielt sie sich deshalb mit einem Kommentar zurück. Jetzt bekam Helen fast so etwas wie Schuldgefühle. Sie wandte sich lächelnd ihrer Schwester zu.
»Tut mir leid. Ist wahrscheinlich nur der Neid.« Sie nippte an ihrem Champagner.
»Du begegnest schon auch noch dem Richtigen.«
Helen lachte. »Ich? Du meinst, auch mein Prinz wird noch kommen?«
»Ich weiß es.«
»Du
weißt
es?«
»Ja.«
»Tja, dann seid ihr schon zu zweit. Unsere neue Stiefmutter hat mir gestern Abend erklärt, sie ist überzeugt davon, dass mich bei meiner Rückkehr nach Montana schon der Marlboro-Mann erwartet.«
»Und was hast du geantwortet?«
»Ich habe ihr gesagt, dass der sicher an Krebs gestorben ist.«
»Helen, du bist schrecklich.«
»Dabei habe ich ihn schon kennengelernt.«
Celia schwieg. Helen rührte mit den Füßen im mittlerweile dunklen Wasser. Man konnte die Ankerkette sehen, wie sie sich zum sandigen Boden hinabschwang, und einen Schwarm kleiner, silbriger Fische, der um sie herumwirbelte. Helen drehte sich zu Celia, die sie abwartend und mit großen Augen ansah.
»Ich hasse es, wenn du mich so anschaust.«
»Tja, weißt du, jetzt bin ich neugierig geworden.«
»Also schön, er ist groß. Und dunkelhaarig. Und schlank. Und er hat die schönsten grünen Augen, die du je gesehen hast. Er ist der Sohn eines mächtigen Ranchers, er ist lieb, fürsorglich und rücksichtsvoll und völlig in mich vernarrt.«
»Helen, das ist ja …«
»Und er ist achtzehn Jahre alt.«
»Ach so …«
»Genau: ›Ach so‹«, äffte Helen sie nach. Celia hatte ihr starres Gouvernantengesicht aufgesetzt, das stets die schlechten Seiten in Helen hervorbrachte.
»Ich meine, ist es …«, fuhr Celia fort und suchte immer noch nach einem passenden Wort. »Hast du …«
»Ob ich mit ihm gevögelt habe?«
»Helen! Du weißt ganz genau, dass ich das nicht gemeint habe!«
»Nun, die Antwort lautet, nein, habe ich nicht.« Sie zögerte kurz. »Noch nicht.«
»Verdammt, wieso glaubst du eigentlich immer, dass ich von solchen Dingen schockiert sein könnte? Hältst du mich wirklich für so eine verbohrte, engstirnige Ziege?«
»Nein, natürlich nicht.« Beschwichtigend legte sie einen Arm um ihre Schwester. »Tut mir leid.«
Sie betrachtete einen Augenblick lang schweigend den Horizont. Die Sonne flammte ein letztes Mal auf, ehe sie im indigofarbenen Meer
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