Im Kreis des Wolfs
sein, um Buzz zu helfen. Er rappelte sich wieder auf und schaute durchs Fernglas.
Buzz war schon fast auf der anderen Seite des zugefrorenen Sees. Die Wölfin stand immer noch ganz still und wartete auf ihn. Was zum Teufel trieb der Hund da? Er sah gar nicht so aus, als sei er wütend, eher, als wollte er eine alte Freundin begrüßen. Jetzt kletterte er das andere Ufer hinauf und war nur noch knapp zehn Meter von der Wölfin entfernt, als das Weibchen plötzlich mit dem Schwanz zu wedeln begann. Buzz wurde langsamer und duckte sich auf den letzten Metern mehr und mehr, bis er fast auf dem Bauch dahinkroch. Als er dann bei ihr war, warf er sich vor ihr auf den Rücken. Die Wölfin schaute schwanzwedelnd auf ihn herab.
Luke rechnete damit, dass sie nun über ihn herfallen und ihm die Kehle aufreißen würde, aber nichts geschah. Sie schaute Buzz einfach nur an, wie er vor ihr auf dem Boden kroch. Dann reckte Buzz die Schnauze und leckte sie ab, so wie Luke es im Sommer bei den Welpen gesehen hatte, wenn sie bei den ausgewachsenen Tieren um Futter bettelten.
Doch plötzlich duckte sich die Wölfin, presste die Brust in den Schnee und legte den Kopf auf die ausgestreckten Vorderläufe, wedelte aber weiterhin mit dem Schwanz. Luke konnte es nicht fassen. Sie wollte spielen. Und kaum hatte Buzz dies kapiert, sprang sie auf, tollte um ihn herum, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt. Der Hund versuchte vergeblich, sie zu fassen. Dann blieb die Wölfin stehen und duckte sich erneut. Buzz tat es ihr gleich. Sobaldsich einer von beiden bewegte, begann die Hatz aufs Neue, nur war es diesmal die Wölfin, die den Hund jagte.
So wechselten sie sich mehrere Minuten lang ab, und bald musste Luke so lachen, dass er sich in den Schnee setzte und die Ellbogen auf die Knie stützte, um das Fernglas ruhig halten zu können.
Ganz abrupt brach die Wölfin das Spiel ab und trottete zu den Bäumen hinüber. Buzz blieb stehen und sah einen Moment lang etwas verdutzt drein. Luke erhob sich und rief ihn, aber das arme Tier hatte solchen Spaß gehabt, dass es, statt zur Hütte zu laufen, der Wölfin auf den Fersen blieb und gleich darauf im Wald verschwand.
Aus der Hütte waren weiter die Klänge der Oper zu hören. Die Nacht senkte sich herab. Plötzlich fand Luke das Spiel der Wölfin gar nicht mehr so lustig.
Auch der Wolfsjäger hörte die Musik. Er war hoch oben im Tal auf dem Weg zu jener Stelle, wo er am Heiligen Abend den dritten Wolf getötet hatte.
Mehrere Tage lang war er den Spuren von Luke gefolgt und hatte darauf geachtet, Skier und Skistöcke genau in seine Abdrücke zu setzen, so dass nur ein ebenso erfahrener Spurenleser wie er selbst sehen konnte, dass mehr als ein Mensch diesen Weg genommen hatte.
Ironie des Schicksals, dass er von einem zu den Wölfen geführt wurde, der diese Tiere schützen wollte. Als die Frau noch mit ihm unterwegs war, hatte er sich so etwas nicht getraut. Einige von diesen Naturschützern waren verdammt clever. Doch der Junge war nur ein Amateur, wenn auch kein schlechter. Genaugenommen entging ihm eigentlich so gut wie nichts.
Lovelace konnte sehen, wo er stehengeblieben war, etwa um Kot aufzuheben oder eine Duftmarke zu prüfen. Ermusste vorsichtig sein, falls der Junge wieder denselben Weg zurückkam. Doch bisher war das noch nicht passiert, und auch wenn sie sich einmal begegnen sollten, würde der Junge nicht wissen, was der Wolfsjäger im Schilde führte. Wahrscheinlich würde er ihn nur für einen verrückten alten Kerl halten, der sich in den Wäldern herumtrieb. Besser allerdings war es, wenn er ungesehen blieb.
Obwohl die Frau fort war, blieb der Tagesablauf des Jungen nahezu unverändert. Er arbeitete während der gleichen Stunden, ging in den gleichen Nächten auf Wolfssuche und erledigte die gleiche Arbeit, verfolgte die Spuren der Wölfe bis zu der Stelle zurück, an der sie die letzte Beute gerissen hatten, und entnahm dem Kadaver einige Proben. Und ebendieser simplen Tatsache verdankte Lovelace seinen dritten Wolf.
Ein Rudel Wölfe konnte einen Kadaver in einer Nacht vertilgen, so dass nur noch ein paar Reste für Raben und Kojoten übrigblieben. Doch aus irgendeinem Grund ließen sie ihn manchmal halb aufgefressen liegen, oder sie verscharrten Fleischbrocken im Schnee und kamen später noch mal zurück. Auf eine solche, nur halb gefressene Beute hatte Lovelace gehofft, und am Weihnachtsabend hatte ihn der Junge unwissentlich zu einem derartigen Kadaver geführt.
Es
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