Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
wirklich zum Buddhisten gemacht? Weiß Mom das schon?«
    Celia lachte. »Dass er nicht mehr alle Tassen im Schrank hat? Nein, bestimmt nicht. Aber im Ernst, Helen, was Besseres als Courtney konnte ihm gar nicht passieren. Weißt du, was er mir gestern Abend gesagt hat? ›Courtney hat mir das Geheimnis des Lebens gezeigt.‹«
    »Und? Verrät er es uns?«
    »Er sagte, sie habe ihm beigebracht zu
sein.«
    »Was zu sein?«
    »Lach nicht, es ist wichtig. Einfach nur zu
sein.
Im Augenblick zu leben. Und weißt du was? Sie hat recht. Und niemand hat es nötiger als du, so zu leben.«
    »Meinst du?«
    »Ich
weiß
es. Als deine Schwester, Therapeutin und buddhistische Ratgeberin empfehle ich dir daher, mal eine Pause einzulegen und dir ein bißchen Vergnügen zu gönnen. Leb einfach in den Tag hinein, und laß die Dinge auf dich zukommen. Flieg zurück zu Luke und, na ja, du weißt schon …«
    »Bums mit ihm?«
    »Helen, du bist unmöglich!«
     
    Helens Zimmer lag am Ende eines langgestreckten, zweistöckigen Gebäudes und hatte einen Balkon mit Blick auf die Bucht. Als die Party vorüber war, ließ sie die Türen auf, legte sich aufs Bett und lauschte den Wellen, die an den Strand schlugen und sich dann verliefen. Sie spielte mit dem silbernen Wolf an ihrem Hals, während sie über ihre Schwester nachdachte. Es war wie eine Offenbarung gewesen. Schuldbewusst dachte Helen daran, wie sehr sie ihre Schwester unterschätzt hatte. Außerdem schüchterte es sie ein wenig ein, wie genau Celia sie durchschaut hatte. Was sie von wegen»tragische Heldin« und »sich im Leid suhlen« gesagt hatte, traf sie wie der Schlag einer Keule.
    Was ihren Rat in Bezug auf Luke betraf, war Helen sich nicht so sicher. Celia hatte ihn etwas schnoddrig vorgebracht, aber Helen wusste, wie ernst er gemeint war. Aber leider berücksichtigte er nur die eine Seite. Er ging bloß auf Helens Bedürfnisse ein, nicht auf die von Luke.
    In all ihren Männerbeziehungen war
sie
bis jetzt diejenige gewesen, die darauf gewartet hatte, abgewiesen und verletzt zu werden. Es schien die ihr angestammte Rolle zu sein. Und genauso war es denn auch geschehen, immer und immer wieder. Wahrscheinlich hatte sie es darauf angelegt, dachte sie. Männer schienen so etwas zu spüren. Doch bei Luke war das anders.
    Vielleicht lag es an seinem Alter. Sie wusste es nicht, doch es gab nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass er sie verletzen oder abweisen würde, eher war es umgekehrt. Als sie ihn warnen wollte, hatte er gesagt, dass es ihm egal sei. Warum also sollte sie darauf Rücksicht nehmen? Zu lieben und geliebt zu werden, war das nicht genug? Denn sie liebte ihn, das wusste sie, und nicht nur deshalb, weil er sie aus ihrer Verzweiflung gerettet hatte. Sie liebte ihn um seinetwillen, doch auf eine Weise, die für sie neu und seltsam befreiend war.
    Außerdem merkte sie zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie ihn körperlich ebenso begehrte wie er offenbar sie.
    An jenem letzten Abend in der Hütte hatte sie ihn ihr Kleid öffnen und ihre Brüste küssen lassen, und statt vernünftig zu sein und aufzuhören, hatte sie voller Verlangen sein Hemd aufgeknöpft und ihn zum Bett gezogen. Bewusst hatte sie alle Bedenken beiseite geschoben, hatte seine Hand zwischen ihre Beine geführt, seinen Gürtel geöffnet und ihn, heiß und hart, wie er war, in die Hand genommen.Er war gleich gekommen und hatte sich deshalb geschämt. Doch sie küsste ihn, hielt ihn im Arm und flüsterte, dass es für eine Frau schön sei, so begehrt zu werden.
    Die Palmen draußen raschelten, und eine leichte Brise wehte Reggae-Rhythmen von einer Party irgendwo am Strand zu ihr herüber. Helen drehte sich auf die Seite, schloss die Augen und wünschte sich, Luke wäre bei ihr. Sie stellte sich ihn vor, dreitausend Meilen weit fort, in der Kälte und im Schnee, bis sie in einen traumlosen Schlaf fiel.
     
    Luke hatte in seinem Leben noch nie mehr als einige Takte Opernmusik gehört, meist im Radio, wenn er gerade einen anderen Sender suchte. Eigentlich hatte er nichts gegen klassische Musik, manches davon war ganz okay, aber die Vorstellung, dass Leute sangen, statt miteinander zu reden, erschien ihm irgendwie albern.
    Seit er allein in der Hütte wohnte, hatte er es sich angewöhnt, Musik aufzulegen, wenn er abends zurückkam. Meistens suchte er sich eine der CDs aus, für die Helen sich gewöhnlich entschied, für Sheryl Crow etwa, Van Morrison oder Alanis Morissette, und die ihm das Gefühl gaben,

Weitere Kostenlose Bücher