Im Kreis des Wolfs
versuchte, etwas zu sagen, doch Buck schnitt ihm das Wort ab. Er hatte genug. Das Gesicht dieses stotternden Jungen machte ihn rasend.
»Das ist kein Vorschlag. Das ist ein Befehl.«
Dann knallte er den Teller auf den Tisch und verließ das Zimmer.
Seit die Welt im Schlamm versank, hatten Hopes Wölfe den Wald für sich. Der Schnee war fast geschmolzen, doch er hatte Hirsche und Elche erschöpft, weshalb sie selbst für ein Rudel, zu dem nur zwei ausgewachsene Tiere gehörten, eine leichte Beute waren.
Der Tod eines Alpha-Rüden und die anschließende Rivalität zwischen möglichen Nachfolgern konnte ein Rudel spalten, dieses aber nicht. Es hatte keinen Zweifel an der Nachfolge gegeben, da es nur ein einziges ausgewachsenes Männchen gab: den Streuner mit dem Halsband, der im Herbst vor zwei Jahren als Jährling zum Rudel gestoßen war.
Nach dem Tod des alten, schwarzen Hund- und Kälberkillers hatten die Wölfe eine Weile gebraucht, um ihn zu akzeptieren, doch mit der Zeit fügten sie sich ihm. Sie kamen mit gesenkten Köpfen, den Schwanz zwischen die Beine geklemmt, warfen sich ergeben vor ihm auf den Rücken und leckten ihm über die Schnauze, während er, hochmütig, doch freundlich, über ihnen stand.
Es war das Recht und die Pflicht des neuen Anführers, sich mit dem weißen Alpha-Weibchen zu paaren. Selbst wenn es andere ausgewachsene Rüden gegeben hätte, wäre eine Paarung nicht zugelassen worden. Nur das Alpha-Pärchen eines jeden Rudels durfte sich fortpflanzen.
Doch der neue König war nun ein Krüppel. Die vier Wochen alte Wunde von der Schlinge des Wolfsjägers war vereitert, und der Wolf hatte viele Tage lang zwischen den Felsen und dem faulenden Holz an einem geröllübersäten Seitenarm des Bachs gelegen, sich die Pfote geleckt und war immer magerer und schwächer geworden.
Da das Alpha-Weibchen und die drei verbliebenen Welpen offenbar wussten, dass ihr Überleben als Rudel von ihm abhing, pflegten sie ihn, beobachteten ihn und brachten ihm von ihren Jagdausflügen etwas zu fressen mit.
Als der Januar zu Ende ging und es wieder kälter wurde, war das Alpha-Weibchen bereit und begann zu bluten, legte sich zu ihm in die Höhle, leckte ihm das Gesicht und – wenn er es ihr erlaubte – auch seine Wunde. Er leckte sie ebenfalls, raffte sich manchmal auf und lief mit ihr an den Bach, um zu trinken. Dann standen sie da, und er schmiegte den Kopf an sie und legte seine kranke, eiternde Pfote auf ihre Schulter.
Wäre ein anderer männlicher Streuner aufgetaucht, hätte er das leidgeprüfte Rudel und sein Alpha-Weibchen vielleicht für sich beansprucht. Doch es kam kein anderer Wolf.
In der ersten Februarwoche, als es wieder fror und der Schnee in weichen Flocken auf sie herabfiel, paarte sich die weiße Königin mit ihrem verkrüppelten König. Sie blieben lange vereint, während die drei überlebenden Welpen still vom anderen Ufer des Bachs zusahen.
Am selben Abend, jenseits des schneebedeckten Waldes, lagen Luke und Helen nackt und ineinander verschlungen in der von Kerzenlicht erhellten Hütte.
Sie schlief zusammengerollt wie ein Fötus. Ihr Kopf ruhte auf seiner Schulter, und er konnte ihren Atem auf seiner Haut spüren, warm und sanft. Ihr linkes Bein lag über seinen Schenkeln, und er fühlte, wie sich ihr Bauch sacht an seiner Hüfte hob und senkte. Er hätte nie gedacht, dass er sich seines und ihres Körpers so bewusst sein könnte.
Seine ersten Versuche als ihr Liebhaber waren kläglich gewesen. In jenen ersten Tagen nach ihrer Rückkehr, nach dem Kuss im Auto, war es stets vorbei, sobald es angefangen hatte. Er kam sich vor wie ein Kind, fühlte sich elend und wunderte sich, dass sie ihn nicht auslachte und zum Teufel jagte; denn das, dachte er, machten Frauen mit Männern, die es nicht brachten.
Doch sie tröstete ihn, sagte, dass es darauf nicht ankäme, und half ihm, sich zu entspannen. Nach einer Weile klappte es dann, und es war schöner, als er es sich je erträumt oder vorzustellen gewagt hatte. Nicht nur, weil er seinen Körper so lebendig spürte, sondern weil er erkannte, dass er kein nutzloser, stotternder Junge mehr, sondern reif fürs Leben war. All dies und vieles mehr verdankte er Helen.
Die Kerze auf dem Stuhl neben dem Bett war heruntergebrannt und flackerte heftig. Er streckte die Hand aus, behutsam, um Helen nicht zu wecken, und löschte die Flamme mit den Fingern. Helen bewegte sich und murmelte etwas.Wärmesuchend schob sie ihre Hand in seine
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