Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
Vom Netzwerk:
aufgefangen, nicht das übliche, rhythmische Piepen, sondern einen einzelnen Dauerton, der ihnen verriet, dass etwas vorgefallen war.
    »Es muss nicht unbedingt heißen, dass er tot ist«, hatte Helen gesagt, als sie ihre Skier und die restliche Ausrüstung aufs Schneemobil luden. »Vielleicht hat sich auch nur das Halsband gelöst. Das passiert manchmal.«
    Doch sie glaubte selbst nicht daran. Sie waren mit dem Schneemobil so weit wie möglich dem Weg am Bach gefolgt, und das Signal war immer stärker geworden. Sie wussten, dass sie vermutlich zum letzten Mal für eine ganze Weile gemeinsam auf Spurensuche gingen, und sprachen kaum ein Wort miteinander. Als das Gelände schwieriger wurde, schnallten sie ihre Skier an und suchten sich zwischen Bäumen und Felsen einen Weg. Sie fanden frische Wolfsspuren, hörten aber nur das eine, gleichmäßige Signal. Das Rudel war weitergezogen.
    Luke hatte den Kadaver gefunden. Als sie durch die Felsen kletterten, entdeckten sie eine mit Kot und Knochenstückenübersäte Felsspalte. Offenbar hatte der Wolf dort längere Zeit Schutz gesucht. In einem Flecken Neuschnee unter einem Felsen sahen sie die Spuren mehrerer Wölfe. Vielleicht waren sie hergekommen, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
    Der Kadaver war steifgefroren, und sie brauchten eine Weile, um ihn aus den Felsen zu hebeln, ohne ihn noch weiter zu beschädigen. Dann legten sie ihn am Bach auf den Boden.
    Sie knieten sich neben ihn, um ihn sich genauer anzuschauen. Rund um die angeschwollene Vorderpfote war das Fell abgezogen. Sie war dreimal so dick wie die anderen Pfoten. Außerdem fanden sie eine tiefe, kreisrunde Wunde.
    »Armer Kerl. Was ist bloß mit dir passiert, he? Sieht aus, als wärst du in eine Falle geraten.«
    »Oder in eine Fußangel, so wie Buzz«, sagte Luke. »Ist auch d-d-die gleiche Pfote.«
    Helen entfernte das Halsband und stellte das Signal ab. Sie erhob sich seufzend.
    »Und da waren es nur noch sieben.«
    »Ich glaube nicht, dass es noch so v-v-viele sind.«
    Sie sah ihn an. »Was meinst du damit?«
    »Ich hab dir doch erzählt, dass Dan und ich vom Flugzeug aus nur fünf gesehen haben. Und dass er gesagt hat, die anderen wären w-w-wohl unter den Bäumen. Nun, in den letzten Tagen, als du im G-G-Gericht warst, hatte ich den Eindruck, dass das alle Tiere sind, vielleicht nicht mal mehr so viele. Ich weiß, sie laufen oft in den Spuren ihres Vordermanns, aber wenn sie sich trennen, dann sieht es aus, als wären sie nur noch zu dritt oder viert. Außerdem habe ich sie heulen hören, und es hat sich anders angehört, irgendwie dünner.«
    Sie trugen den toten Wolf zum Schneemobil und brachtenihn zur Hütte. Helen rief Dan an, und der sagte, Donna werde gleich zu ihnen rausfahren und ihn abholen. Außerdem wollte er Bill Rimmer bitten, sich den Wolf anzusehen, um ihn dann zur genaueren Untersuchung nach Ashland zu schicken. Helen sagte ihm, dass die Wunde nach einer Fußangel ausschaue.
    »Luke ist der Meinung, dass jemand versucht, sie umzubringen«, bemerkte sie.
    »Wilderer legen Schlingen für alle möglichen Tierarten aus. Gift ist immer noch das beste Mittel, um Wölfe zu töten.«
    »Bloß tötet es auch eine Menge anderer Tiere und verrät so der ganzen Welt, hinter wem man her ist.«
    »Ebenso wie eine Schlinge. Ich glaube, der Junge hat etwas zuviel Phantasie.«
    Helen sagte ihm, was Luke ihr erzählt hatte, dass er nämlich in letzter Zeit nie mehr als die Spuren von vier oder fünf Tieren gesehen hatte. Als Dan antwortete, klang seine Stimme hart.
    »Ich will nicht undankbar erscheinen, was Lukes Hilfe betrifft, Helen, aber
du
bist da draußen die Biologin. Dich bezahlen wir, nicht ihn.«
    Es war dumm von ihr, aber bis zu diesem Augenblick hatte sie nie daran gedacht, dass Dan eifersüchtig sein könnte. Sie hatte ihn verloren. Von jetzt an war Luke ihr einziger Verbündeter.

31
    Als junges Mädchen hatte Kathy die Zeit des Kalbens geliebt, denn sie war auf der Ranch die aufregendste des ganzen Jahres. Sie und Lane hörten ihren Daddy und die anderen Männer, die beim Kalben halfen, mitten in der Nachtunten in der Küche, wie sie sich lachend unterhielten und sich etwas zu essen machten. Sie lagen lange wach und horchten auf das Brüllen und Muhen der Kühe draußen in den Korrals. Oft standen die Mädchen auch auf Zehenspitzen an den Schlafzimmerfenstern und beobachteten die Männer, die die zappelnden und ganz mit Schleim und Blut bedeckten Kälbchen im Licht der Bogenlampen aus den

Weitere Kostenlose Bücher