Im Kreis des Wolfs
klug und zu misstrauisch, um auf einen vergifteten Kadaver hereinzufallen. Und eine schlecht aufgestellte Falle konnten sie aus einer halben Meile Entfernung riechen, gruben sie manchmal sogar aus und ließen sie zuschnappen, um ihre Verachtung zu zeigen. Um ein solches Tier zu fangen, brauchte es mehr als Geschick; man musste wie ein Wolf denken, alle Fährten, jede Witterung und alle Geheimnisse der Wildnis kennen.
Und es gab nur noch einen in Hope, der das konnte.
Joshua Lovelace kam 1911 von Oregon in dieses Tal, angelockt durch ein neues Gesetz Montanas, das die Belohnung für jeden getöteten Wolf auf fünfzehn Dollar erhöhte. Da er weit geschickter als seine Rivalen war, erhielt er von der Vereinigung der ortsansässigen Viehzüchter bald eine feste Anstellung. Fünf Meilen außerhalb von Hope baute er sich am Nordufer des Hope River ein Haus.
Er war ein schweigsamer Mann, der seine eigene Gesellschaftder aller anderen Menschen vorzog und die Geheimnisse seines Berufs sorgsam hütete. Doch war er hauptsächlich für zwei Dinge bekannt. Zum einen (und deshalb hielten ihn manche entweder für exzentrisch oder für übertrieben prinzipientreu) benutzte er niemals Gift, und wenn man ihn fragte, gab er zur Antwort, dass er Gift verabscheue und es nur etwas für Schwachsinnige sei, denen es egal sei, was sie töteten. Die Wolfsjagd war für ihn eine Kunst.
Zum anderen hatte er, gleichsam wie zur Illustration seiner Überzeugung, eine Vorrichtung erfunden, für die er, allerdings erfolglos, auch ein Patent beantragt hatte. Er behauptete, die Idee sei ihm als Junge in Oregon gekommen, als er Anglern zusah, wie sie in einer Flussmündung ihre Nachtangeln auslegten.
Er nannte seine Erfindung den »Lovelace-Reifen«.
Sie fand nur im Frühjahr Verwendung, wenn Wölfe sich eine Höhle suchten, und sie bestand aus einer etwa fünfzehn Meter langen Stahldrahtschlinge, an der mit dünnerem Draht ein Dutzend mit Federn versehener Haken befestigt war. Jeder Haken wurde mit einem Brocken Köderfleisch bestückt; man konnte fast alles dafür verwenden, doch zog Joshua selbst Hühnerfleisch vor. Dann legte man die Schlinge sorgfältig um die Höhle aus und verankerte sie mit einem Eisenrohr.
Der richtige Zeitpunkt war entscheidend. Wollte man optimale Ergebnisse, musste man die Schlinge etwa drei bis vier Wochen nach der Geburt der Jungen auslegen, und ein Teil des nötigen Geschicks lag eben darin, diesen Zeitpunkt durch aufmerksame Beobachtung herauszufinden. Ein ausgewachsener Wolf war selten so dumm, auf einen Köder hereinzufallen. Aber er hatte den Reifen auch nicht erfunden, um erwachsene Tiere zu fangen.
Mit etwa zwei Wochen schlägt ein Wolfswelpe die Augenauf, und eine Woche später bekommt er Milchzähne und beginnt zu hören. Um diese Zeit wagt er sich auch zum ersten Mal hinaus in die Welt und kann nur kleine Fleischbrocken verschlingen, die ihm die erwachsenen Wölfe hervorwürgen. Joshua prahlte, dass er stets genau wisse, wann die Schlinge gelegt werden müsse. Er wollte, dass sein Hühnchen für die Welpen das erste Stück Fleisch ihres Lebens – und das letzte war.
Er legte die Schlinge, wenn die Sonne unterging, zog sich dann an eine Stelle weiter oben zurück und beobachtete bis zur Dunkelheit den Höhleneingang durch sein altes Armeefernrohr, das er einmal vor langer Zeit von einem Indianer erstanden hatte, der behauptete, es selbst General Custers Leichnam am Little Big Horn abgenommen zu haben.
Manchmal, wenn Lovelace Glück hatte, sah er noch am selben Abend ein oder zwei Jungtiere auftauchen, vom Geruch des Hühnchens aus ihrer Höhle gelockt. In Wyoming hatte er einmal einen ganzen Wurf von sechs Welpen gefangen, doch normalerweise kamen sie erst hervor, wenn es schon zu dunkel war, um noch etwas sehen zu können. Dass man etwas gefangen hatte, hörte man am Jaulen der Jungtiere, sobald die Haken mit ihren drei Spitzen in der Wolfskehle aufschnappten.
In der Morgendämmerung fand man dann fünf oder sechs Welpen, die rund um die Höhle wie Fische am Haken hingen und noch lebten, inzwischen aber zu erschöpft waren, um noch mehr als ein Wimmern von sich zu geben. Meist war das Muttertier bei ihnen, stupste sie mit der Schnauze an, leckte sie ab und hatte vor Kummer alle Vorsicht vergessen.
Und das war eben das Schöne an dem Reifen. Wenn man nämlich clever war, einen guten Platz gefunden hatte und nicht gleich beim ersten Tageslicht zur Höhle marschierte,konnte man das ganze Rudel
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