Im Kreis des Wolfs
den Fallen, ging aber zuerst immer an den See, um sich zu vergewissern, dass sie in ihrer Hütte war.
Die Entschuldigung, die er für sein nächtliches Fortbleiben von zu Hause vorbrachte, war einfach. Er schlug seinem Vater vor, oben auf den Pachtwiesen zu kampieren, da er dann auch nachts ein Auge auf die Herde haben könne. Seine Mutter hatte das zwar idiotisch gefunden, sein Vater jedoch war beeindruckt und hatte seinen Vorschlag unterstützt.
Manchmal brauchte er derart lange, sich um die Fallen im Cañon zu kümmern, dass er, statt zum Zelt zurückzureiten, eine geschützte Stelle suchte und in seinem Schlafsack, der stets an den Sattel geschnallt war, übernachtete.
Der einzige Tag, an dem er regelmäßig abends nach Hause kam, war der Dienstag, damit er sich vor seiner Sprachtherapie am nächsten Morgen duschen, rasieren und ausschlafen konnte. Seine Mutter machte ihm ständig Vorwürfe,weil er so blass, müde und mitgenommen aussah. Wie ein Junkie sehe er aus, sagte sie, allerdings war ihm schleierhaft, woher sie wissen wollte, wie so jemand aussah.
»Das gehört sich einfach nicht, dass du da draußen im Freien schläfst.«
»Mir geht’s gut, Mom. Mir gefällt das.«
»Aber es ist gefährlich. Du wirst noch von einem Bären gefressen.«
»Ich sch-sch-schmecke aber nicht besonders.«
»Ich meine es ernst, Luke.«
»Wirklich, Mom, ich bin k-k-kein kleines Kind mehr. Mir fehlt nichts.«
Dabei merkte er durchaus, wie sehr es ihn anstrengte. Er sah in den Spiegel und musste seiner Mutter recht geben. Er wusste nicht, wie lange er noch durchhalten würde.
An diesem Abend brauchte er nicht lange für das Überprüfen der beiden Strecken im Wald. Der Himmel zog sich zu, aber noch schien der Mond, so dass er seine Taschenlampe nicht brauchte, um die Fallen ausfindig zu machen und die Barrieren mit reichlich Wolf-Stopp, etwas Diesel und Urin zu verstärken. Nach knapp einer Stunde hatte er seine Spuren verwischt und ritt mit Moon Eye den langen, steilen Anstieg zum Cañon hinauf.
Er wusste nicht genau, wo sich die Wölfe in diesem Augenblick befanden. Letzte Woche war er zweimal zur Wiese hinaufgestiegen, wo sie einen Großteil des Sommers verbracht hatten, und beide Male hatte er keine Spur von ihnen entdeckt. Allerdings wusste er aus seinen Büchern über Wölfe, dass um diese Jahreszeit die Welpen schon so groß waren, dass sie ihre sogenannten Rendezvousplätze verlassen und anfangen konnten, im Rudel zu jagen.
Vor einigen Nächten hatte er ihr Heulen gehört. Natürlich ließ sich schwer sagen, woher es kam, da die Berge jedenLaut verfälschten; doch er vermutete sie oberhalb des Wrong Creek, etwa eine Meile weiter nördlich. Vielleicht waren sie es einfach leid, an dem stinkenden Zeug zu schnuppern, das er überall verteilt hatte.
Endlich erreichte er den Eingang zum Cañon. Er stieg ab und band Moon Eye an eine Weide am Fluss. Der Abhang war dicht mit Salbei bewachsen. Er brach sich einen dicken, blattreichen Stängel ab, um nachher seine Spuren damit zu verwischen. Dann trank er noch einen Schluck Wasser, nahm die Tasche mit den diversen Flaschen Wolf-Stopp, Diesel und Geruchsstopper und lief das felsige Flussufer entlang.
Er ging vorsichtig, achtete darauf, dass er auf Felsen und Gestrüpp trat, und vermied jeden Flecken Sand, auf dem er einen Fußabdruck hinterlassen konnte.
Sie hatte drei ihrer Fallen am oberen Ende eines von Rotwild genutzten schmalen Pfads aufgestellt, der an dichtem Wacholdergestrüpp entlangführte. Unterhalb davon fiel der Boden steil ab und war mit Büffelbeeren bedeckt, zwischen denen Luke jetzt stehenblieb. Er war nur noch wenige Schritte von jener Stelle entfernt, an der er die erste Falle vermutete.
Er überprüfte den Weg in beide Richtungen, um sich zu orientieren. Dann suchte er das verräterische Grasbüschel oder das lockere Gestrüpp, vor dem sie stets das Loch für ihren übelriechenden Köder grub, aber er konnte nichts entdecken.
Der Mond war jetzt ständig von Wolken verdeckt. Irgendwo hinter den Bergen war ein tiefes, langgezogenes Donnergrollen zu hören.
Luke nahm die Taschenlampe, lief langsam durch die Büffelbeeren, folgte der tiefer gelegenen Wegseite und suchte mit dem Lichtstrahl die Böschung ab. Schon nach wenigenSchritten sah er etwas Dunkles auf hellem Grund, und als er näher kam, stellte er fest, dass er den Wolfkot gefunden hatte; er war an der richtigen Stelle. Gleich dahinter hing das Grasbüschel, und zwischen den beiden vergraben
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