Im Kreis des Wolfs
ab. Die Wunde sah nicht gut aus. Vielleicht musste sie sogar genäht werden. Er sagte etwas, doch Helen konnte ihn nicht verstehen.
»Wie war das?«
»Ich s-s-sagte, dass es mir l-l-leid tut.«
»Waren Sie das? Von Anfang an?«
Er nickte und schaute dabei immer noch zu Boden. Der Donner entfernte sich und verklang unten im Tal.
»Aber warum denn, Luke?«
Er schüttelte den Kopf.
»Wollen Sie nicht, dass ich den Wolf fange? Ihr Dad will das jedenfalls.«
Er ließ ein leises, freudloses Lachen hören. »O ja, der w-w-will das.«
»Aber Sie nicht?«
Er gab keine Antwort.
»Sie
mögen
Wölfe?«
Er zuckte die Achseln, wich ihrem Blick aus.
»Das ist der Grund, nicht wahr? Wissen Sie, Luke, wir wollen ihn nicht fangen, um ihn zu töten und fortzuschaffen. Wir legen ihm nur einen Peilsender um. So wird er geschützt.«
»Es gibt m-m-mehr als einen. Es sind neun, ein komplettes R-R-Rudel.«
»Sie haben sie gesehen?«
Er nickte. »Und Halsbänder können sie nicht beschützen. Damit kann man sie nur l-l-leichter wieder loswerden.«
»Aber das stimmt nicht.«
»Warten Sie’s nur ab.«
Eine Zeitlang sprachen beide kein Wort. Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch den Cañon und ließ die Blätter der Erlen rascheln, Helen fröstelte.
Luke schaute zum Himmel. »Es wird bald regnen«, sagte er.
Und dann sah er sie schließlich doch an. Etwas in seinen Augen rührte sie. Etwas Einsames und Verlorenes, das ihr wie ein Spiegel ein Stück von ihr selbst zeigte.
Es begann zu regnen, wie er es vorausgesagt hatte. Große, kalte Tropfen, die auf die Felsen und in ihre nach oben gewandten Gesichter klatschten und die Luft mit dem Geruch von nassem Staub erfüllten, der Helen stets an jene längst vergangenen Sommer ihrer Kindheit erinnerte.
Er saß auf einem Stuhl neben dem Ofen in der Hütte und reckte die Stirn ins Licht, damit sie die Wunde säubern konnte, während Buzz zusammengerollt vor seinen Füßen lag.
Sie beugte sich über ihn, und er beobachtete ihr Gesicht, merkte, wie sie die Stirn runzelte und sich vor Konzentration auf die Lippen biss. Ihre Kleidung war noch nass vom Regen, und er gab sich alle Mühe, nicht auf ihr T-Shirt zu starren, das an ihren Brüsten klebte. Sie hatte gleich nach ihrer Ankunft in der Hütte den Kanonenofen angeschürt, und jetzt ließ die Wärme Dampfwolken von ihren Schultern aufsteigen. Sie roch wunderbar.
»Das wird jetzt ein bisschen weh tun, klar?«
Er nickte. Sie trug Jod auf, und er konnte nicht verhindern, dass er zusammenzuckte, als sie die Wunde, so sanft sie konnte, damit betupfte.
»Tut mir leid.«
»Ist schon in Ordnung.«
»Das kommt davon, wenn man sich an meinen Fallen zu schaffen macht.«
Er schaute sie lächelnd an, aber sein Mund verzog sich, so dass sein Lächeln eher einem höhnischen Grinsen glich.
Es war erstaunlich, wie gut sie es verkraftet hatte. Als sie aus den Bäumen auf ihn zugestürzt war, hatte er geglaubt, dass sie ihn umbringen wollte. Aber als sie dann auf dem Weg zur Hütte durch den nassen Wald gelaufen waren, da musste sie sogar darüber lachen. Sie hatte ihn dazu überredet, ihr die Flasche Wolf-Stopp zu zeigen, und wäre, als sie daran roch, beinahe umgefallen. Und als er ihr erzählte, wieviel Mühe er aufgewendet hatte, um diese Mischung zusammenzustellen, und wie er sie an den Hunden ausprobiert hatte, da musste sie noch mehr lachen.
Ein- oder zweimal, sagte sie, habe sie das Gefühl gehabt,dass jemand ihr nachspioniere, und einen Moment lang fürchtete er, sie hätte etwas von seiner Anwesenheit unten bei der Hütte bemerkt, die er ihr natürlich verschwiegen hatte. Davon konnte er ihr auf keinen Fall erzählen, sie würde ihn sonst für einen Perversling halten.
Er erzählte ihr, wie er die Wölfe entdeckt und sie seither beobachtet hatte. Und als sie ihn davon zu überzeugen versuchte, dass es richtig war, ihnen ein Halsband anzulegen, empfand er große Erleichterung darüber, dass ihr das Überleben der Tiere ebenso am Herzen lag wie ihm.
Sie klebte ihm ein Pflaster auf die Stirn.
»So, das war’s. Sie werden es überleben.«
»Danke.«
Sie hatte Wasser für einen Kakao auf den Coleman-Kocher gestellt, das jetzt zu brodeln begann.
»Ist Ihr Pferd da draußen im Regen gut aufgehoben?«
»Es wird schon klarkommen.«
»Sie können es auch reinbringen. Ich habe noch ein Gästebett frei.«
Diesmal gelang ihm ein richtiges Lächeln.
Während sie mit dem Topf hantierte, schaute er sich in der Hütte um. Sie war
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