Im Kreis des Wolfs
würde die Falle liegen, sorgsam mit Sand und Steinen getarnt.
Er holte seinen Geruchsstopper aus der Tasche, achtete darauf, nicht auf den Weg zu treten, hockte sich hin und begann, den Kot zu besprühen. Wieder grollte der Donner, diesmal klang er etwas näher.
»Was zum Teufel tun Sie da?«
Es war, als hätte ihm jemand einen Schlag mit der Peitsche versetzt. Die Stimme schien aus den Bäumen zu kommen und erschreckte ihn derart, dass er das Gleichgewicht verlor und der Länge nach zwischen den Büffelbeeren auf den Rücken fiel. Außer seinem Spray verlor er dabei auch die Taschenlampe, so dass er die Hand nicht vor Augen sehen konnte, bis er schließlich begriff, dass ihm der Hut ins Gesicht gerutscht war. Er hörte, wie jemand von den Bäumen her auf ihn zurannte. Rasch drehte er sich um, rappelte sich auf und hastete den Abhang hinunter.
»O nein, so nicht, du Dreckskerl!«
Mit einem Satz sprang Helen über den Weg. Wer immer auch vor ihr war, er hatte zehn Schritte Vorsprung, und der Abstand vergrößerte sich zusehends. Er war schon halb den Abhang hinunter und rannte mit Riesensprüngen durchs Gebüsch. Plötzlich durchzuckte ein Blitz die Dunkelheit, und sie konnte ihn unter sich sehen, wie er mit weit ausgebreiteten Armen versuchte, das Gleichgewicht zu halten. Er hatte seinen Hut in der Hand und eine Tasche oder etwas Ähnliches über der Schulter, aus der etwas herausfiel.
»Du steckst in großen Schwierigkeiten, mein Freund. In verdammt großen Schwierigkeiten.«
Donner krachte, als wolle er ihre Worte unterstreichen. Die Büsche ratschten an ihren Beinen, und einmal verstauchte sie sich beinahe den Knöchel. Sie war aber so wütend, dass sie nicht weiter darauf achtete.
Er hatte den Fuß des Abhangs fast erreicht, von wo aus das Land sich in einem breiten Gürtel von Erlen und Weidengebüsch sanft zum Fluss hin neigte. Wenn er es bis dorthin schaffte, würde sie ihn rasch aus den Augen verlieren.
»Sich an Bundesfallen zu vergehen ist ein Verbrechen!« Helen hatte keine Ahnung, ob das stimmte, aber es klang gut.
Als er die Bäume erreichte, hörte sie seinen Stiefel gegen einen Fels krachen, sah ihn stolpern und kopfüber im Unterholz verschwinden.
»Ja!«, schrie Helen vor Begeisterung.
Innerhalb von Sekunden war sie an Ort und Stelle und dennoch nicht schnell genug, denn er kroch bereits auf Händen und Füßen durchs Gehölz und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Ohne nachzudenken, warf sich Helen auf ihn. Er sackte unter ihr zusammen, und sie hörte, wie ihm mit einem lauten Grunzen die Luft aus den Lungen entwich.
Sie rollte von ihm herunter, war aber noch zu sehr außer Atem, um etwas sagen zu können. Und dann dachte sie plötzlich: Und jetzt? Sie hatte einen fremden Mann angegriffen, einen Mann, der größer und bestimmt auch stärker war als sie und vielleicht sogar eine Waffe trug! Und jetzt lagen sie beide hier mitten in der Wildnis am Boden. Sie musste den Verstand verloren haben.
Sie erhob sich. Er lag immer noch mit ausgebreiteten Armen neben ihr, mit dem Gesicht nach unten, doch plötzlich gab er einen seltsamen Laut von sich und bewegte einen Arm. Helen dachte, dass er nach einem Messer oder Revolver greifen wollte, und verpasste ihm einen Fußtritt.
»Keine Mätzchen, mein Freund. Ich bin von der Regierung, und Sie, Bürschchen, Sie sind verhaftet.«
Doch noch während sie das sagte, begriff sie, dass er nicht in der Verfassung war, sich zu wehren. Er lag auf der Seite, die Knie angezogen, und rang keuchend nach Luft. Beim nächsten Blitz sah sie sein völlig verzerrtes und staubbedecktes Gesicht.
Sie konnte es einfach nicht glauben.
»Luke?«
Er stöhnte, aber der Laut verlor sich in einem mächtigen Donnergrollen.
»Luke? Um Himmels willen … Sind Sie okay?«
Verwirrt kniete sie sich neben ihn, während er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Als ihm dies schließlich gelang, half sie ihm, sich aufzusetzen, legte die Hände auf seine Schultern und stützte ihn, bis er wieder gleichmäßig atmete. Sie wischte Dreck und Zweige von seinem Rücken, ging dann mit der Taschenlampe den Weg ab und fand seinen Hut und die Tasche, die er bei seinem Sturz verloren hatte. Als sie zurückkam, sah sie, dass seine Stirn blutete.
»Geht’s wieder?«
Er nickte, wich aber ihrem Blick aus. Sie nahm ihr Taschentuch und kniete sich wieder neben ihn.
»Sie haben sich verletzt. Soll ich …?«
Er nahm ihr das Taschentuch aus der Hand und wischte sich selbst das Blut
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