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Im Kreis des Wolfs

Im Kreis des Wolfs

Titel: Im Kreis des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Evans
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Ist doch nur gerecht, dachte er sich, dass der Beobachter beobachtet wird.
    Er warf einen Blick zurück über den See. In der Hütte rührte sich immer noch nichts. Ausnahmsweise hatte sie die Vorhänge und sogar die Tür geschlossen, aber das Licht brannte. Er wusste, dass sie da war, weil ihr Pick-up draußen stand und er den Hund bellen gehört hatte. Vielleicht las sie ein Buch oder so. Es enttäuschte ihn immer, wenn er sie nicht zu Gesicht bekam. Doch schließlich war sie zu Hause, und mehr brauchte er nicht zu wissen. Jetzt konnte er sich beruhigt an seine nächtliche Arbeit machen.
    Er drehte sich um und schlich leise durch den Wald davon. Die Eule rührte sich nicht, sah nur zu, wie er an ihr vorüberging.
    Während er zwischen den Bäumen zum Fluss hinunterging, dachte er wieder an die Begegnung mit ihr auf dem Jahrmarkt. Er hatte angenommen, dass sie ebenso mürrischsein würde, wie sie es meist hier oben war, doch dann hatte sie ganz anders gewirkt. Und er war erleichtert, weil er befürchtet hatte, er könne wegen der Fallen der Grund für ihre Traurigkeit sein.
    »Wieso denn m-m-mein Wolf? Ich habe ihn noch nie gesehen!«
    Gott, wie dumm, so was zu sagen. Er hatte sich schon hundertmal deshalb verflucht. Sie war wirklich nett, und das war ein Teil des Problems, genau wie bei Cheryl oder bei irgendeinem anderen Mädchen, das er beeindrucken wollte. Ständig machte er sich zum Narren. Allerdings war Helen Ross kein Mädchen mehr. Trotzdem hatte er sich benommen wie immer, hatte sich so aufgeregt, dass er zu stottern begann und nicht sagen konnte, was er sagen wollte, so dass er am Ende eben als der Trottel dastand, für den ihn solche Arschlöcher wie dieser Jerry Kruger auch hielten.
    Es war hoffnungslos. Er fragte sich oft, wie irgendein Mädchen herausfinden sollte, dass er eigentlich gar nicht so übel war. Oder war er es doch? Bestimmt würde er einmal als einsamer alter Mann enden, der allein im Wald lebte und den Vögeln was vorsabbelte.
    Es hatte ihn überrascht, wie hübsch sie aus der Nähe aussah. Dieses Lächeln und die schönen braunen Augen, die einen so direkt anschauten. Sie sah einfach gut aus in den weiten Khakishorts und dem T-Shirt mit aufgerollten Ärmeln, die ihre braungebrannten Arme freiließen.
    Weiter unten am Hang sah er Moon Eye, der dort graste, wo er ihn zurückgelassen hatte, nämlich gleich neben dem Bach, der sich hier in Kaskaden durch eine enge, hohe Felsschlucht am südlichen Ende des Sees stürzte. Jedes Geräusch, das sein Pferd da unten verursachen mochte, ging im Lärm des Wassers unter. Moon Eye hörte ihn trotzdem kommen. Luke schmiegte sein Gesicht an die weiße Blesse am Pferdeschädel,der das Tier seinen Namen verdankte, und verbrachte dann eine volle Minute damit, ihm den Hals zu reiben und Koseworte zuzuflüstern. Anschließend schwang er sich in den Sattel, der schwer beladen war mit all dem, was er für sein nächtliches Werk brauchte, und lenkte Moon Eye unter gutem Zureden in den Bach.
    Die Strömung war stark, aber die Hufe fanden sicheren Halt im Geröll, und bald waren sie am anderen Ufer und durch den Wald unterwegs zur ersten Falle.
    Er ging übrigens gar nicht davon aus, dass sie den Wölfen schaden wollte. Doch wenn sie ihnen erst mal ein Halsband verpasst hatte, würden sie nicht mehr frei sein. Dann konnte man sie jederzeit aufspüren und sich ihrer entledigen. Einfach verrückt, dass diese Biologen das nicht kapierten. Aber wahrscheinlich konnten sie letztlich wie all die anderen Menschen in dieser Gegend keine wirklich wilden Tiere ertragen und mussten deshalb ständig versuchen, sie zu bändigen und ihnen Fesseln anzulegen.
    Anfangs war diese Sache mit den Fallen für Luke fast wie ein Spiel gewesen. Es hatte ihm Spaß gemacht, sie und diesen Typen vom Amt für Wildschäden, Rimmer, durch die Berge und Wälder zu verfolgen und sie zu beobachten, wenn sie ihre Fallen aufstellten. Es wunderte ihn, dass sie ihn nicht entdeckten. Einmal, etwa eine Woche später, war er ihr zufällig über den Weg gelaufen, aber da war er mit den Fallen zum Glück schon fertig und ritt zurück zur Pachtwiese seines Vaters, so dass sie keinen Verdacht schöpfte.
    Er hatte nicht genau sehen können, wo sie die einzelnen Fallen jeweils aufstellten, weshalb er ein paar Tage brauchte, sie alle zu finden. Und dann begann sie, sie umzusetzen, aber meist entdeckte er sie, wenn er ihr folgte, sobald sie die Fallen kontrollierte. Es amüsierte ihn, ihr verblüfftesGesicht zu

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