Im Kreis des Wolfs
…«
»Danke, Ma’am, ich hab genug gehört.«
Er griff nach den Zügeln, riss das Pferd scharf herum und warf dann einen Blick über die Schulter.
»Luke?«
»J-j-a, Sir?«
»Wenn du mit dem fertig bist, was du hier oben zu tun hast, wäre ich dankbar, wenn du nach Hause kommen könntest. Es gibt da noch ein oder zwei Dinge, die wir zu klären haben.«
Luke nickte. Sein Vater tippte grüßend an den Hut.
»Miss Ross.«
Er trat dem Pferd die Hacken in die Flanken und sprengte zum See hinunter, Clyde dicht hinter ihm. Luke suchte seine Sachen zusammen. Gedemütigt und beschämtwich er Helens Blick aus. Als er die Tasche aufhob, legte sie ihm eine Hand auf die Schulter.
»Luke?«
Er richtete sich auf, konnte ihr aber immer noch nicht in die Augen schauen.
»Es war mein Fehler. Tut mir wirklich leid. Ich hätte Sie nicht bitten sollen, mir zu helfen.«
»Das m-m-macht doch nichts.«
Und als er seine Sachen eingesammelt hatte, ging er ohne ein weiteres Wort ans Wasser zu Moon Eye und schwang sich in den Sattel. Dann ritt er den Abhang hinunter, ohne sich noch einmal umzudrehen, doch er spürte ihren Blick in seinem Rücken.
Helen verbrachte den Rest des Nachmittags damit, die beiden Wölfe mit Hilfe ihres Empfängers zu orten. Zum Glück blieben die Signale hoch oben am Wrong Creek und somit weit weg von den Herden.
Gegen sieben Uhr kehrte sie zur Hütte zurück und duschte. Jetzt im Herbst war das Wasser so kalt, dass sie davon Kopfschmerzen bekam. Sie würde sich bald nicht mehr draußen waschen können.
Sie ertappte sich dabei, wie sie über die Duschtür zum See schaute und hoffte, Luke auf seinem Pferd zu sehen, obwohl sie wusste, dass er nicht kommen würde, nicht nach dem, was heute morgen geschehen war. Dabei hätte sie so gern ihren Erfolg gefeiert, aber es war nur Buzz da, um ihr Gesellschaft zu leisten.
Fröstelnd rannte sie zurück zur Hütte, trocknete sich rasch ab und zog sich an. Nachdem sie die Mailbox abgefragt hatte (es waren keine Nachrichten da), steckte sie sich zum ersten Mal seit drei Tagen genussvoll eine Zigarette an und legte Musik von Sheryl Crow auf. Doch dann machtesie den Fehler, auf die Texte zu achten, ging zum Apparat und stellte ihn aus. Sie wollte feiern und sich nicht die Pulsadern aufschneiden.
Sie dachte daran, Joel einen Brief zu schreiben. Wieder eine schlechte Idee. Verdammt, warum sollte sie ihm schreiben?
Er
war dran! Da sie mit dem Handy zur Abwechslung mal guten Empfang hatte, beschloss sie, ihre Mutter in Chicago anzurufen. Doch es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Mit Celia in Boston erging es ihr genauso, und mit Dan Prior. Wo zum Teufel steckten sie alle?
Wie zur Antwort klingelte das Telefon, das sie immer noch in der Hand hielt.
Es war Bill Rimmer. Er gratulierte ihr zu ihrem Fang und sagte, nun habe sie wohl die Wette, wer den ersten Wolf fange, gewonnen. Er war unterwegs zu den Hardings, um mit ihnen über die vermissten Kälber zu reden, und fragte, ob sie mitkommen wolle.
»Nein, danke, Bill, zu denen geh ich nur noch in voller Rüstung.«
»Wissen Sie was? Wenn ich da oben fertig bin, spendiere ich Ihnen in der Stadt einen Drink.«
Sie vereinbarten, sich eine Stunde später im Last Resort zu treffen. Vielleicht dachte Helen, war es ja gar nicht schlecht, sich in der Öffentlichkeit zu zeigen. Die Gerüchte über Hardings Verlust würden sich bestimmt wie ein Lauffeuer verbreiten.
Es war schon fast dunkel, als sie durch Hope fuhr und auf der Hauptstraße das rote Neonschild von The Last Resort leuchten sah. Langsam rollte sie auf der anderen Straßenseite vorbei, ließ den Blick über die parkenden Autos schweifen, in der Hoffnung, Bill Rimmers Wagen zu entdecken. Aber er war noch nicht da.
Die Vorstellung, drinnen auf ihn warten zu müssen, warihr alles andere als angenehm, also fuhr sie ein Stück weiter und parkte vor dem Waschsalon. Zwei junge Cowboys alberten darin herum und luden nasse Wäsche in die Trockner. Helen war selbst schon zweimal hier gewesen, einmal mit ihrer Wäsche und einmal, um Wolfskot zu waschen.
Dan hatte ihr in Minnesota diesen Trick gezeigt, mit dem man herausfinden konnte, was ein Wolf gefressen hatte. Man schnürte die Kothaufen einzeln in je ein gekennzeichnetes Stück Nylonstrumpfhose und gab diese in die Maschine. Nach dem Waschen waren nur noch Haare und Knochenstückchen übrig. Da die anderen Benutzer des Waschsalons von einem solchen Waschgang wohl nicht begeistert gewesen wären, musste man
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