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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Kripo und
     bei der Rechtsmedizin darf es keine Geister geben. Punkt.«
    Katrin nickte unglücklich. »Aber Martin   …« »Der steht das schon durch«, sagte Gregor. Es klang zwar hart, aber in seinem Ton lag eindeutig ein gewisses Mitleid. »Wir
     können ihm jedenfalls nicht helfen.« Katrin holte tief Luft und versuchte ein Lächeln. »Okay, du hast recht.« Eine einzelne
     Träne lief ihr aus dem Augenwinkel. Gregor wischte die Träne mit seinem Daumen vorsichtig weg und nahm Katrin in die Arme.
     Sie wehrte sich nicht. »Wir können nur versuchen, ihn vor allzu großen Dummheiten zu beschützen. Er darf nicht noch einmal
     in so eine gefährliche Situation kommen wie damals, als er fast gestorben wäre.«
    Katrin nickte und schmiegte sich ein bisschen enger an Gregor. Der bemerkte das, ließ es gern geschehen und erwiderte den
     Druck. »Pass du hier im Institut auf ihn auf, ich werde versuchen, ihn draußen im Auge zu behalten.« Ich wartete noch einige
     Minuten ab, aber da nichts mehr über mich gesagt wurde und auch, trotz des Bodychecks, keine Aussicht auf eine heiße Knutscherei
     bestand, verließ ich die Teeküche und suchte Martin. Ich fand ihn nicht. Er war weder zu Hause noch im »Veggie Paradise« oder
     in einem seiner bevorzugten Biosupermärkte. Ich |160| machte mir keine allzu großen Gedanken, denn er hatte versprochen, zu Marlenes Beerdigung zu kommen, und dort würde ich ihn
     sicher wieder treffen.
     
    Die Klosterkapelle war mit der fünffachen Menge an Blumen und Kerzen ausgestattet und vorn, zwischen dem Altarraum und den
     ersten Bänken, stand ein Sarg. »Sieht nett aus, was die hier für dich inszenieren«, sagte ich, als Marlene kam.
    »Das liegt an der Jahreszeit«, erwiderte sie. »Im Frühjahr gibt es viele schöne Blumen. Wer im Winter stirbt, kriegt als Schmuck
     viel Tannengrün und solche Sachen.« »
Good-bye Papa, it’s hard to die, when all the birds are singing in the sky   …
«, sang sie plötzlich. Irgend so ein Hippiesong von vor tausend Jahren, als es noch Frauen mit Haaren auf den Beinen gab,
     die sich in Rüschenröcken mit Gitarre auf den Knien ins Gras hockten und von Liebe und Frieden sangen. Immerhin mal was anderes
     als dieses ständige »Gegrüßet seist du, Maria«. Und Marlene hatte eine schöne Stimme. Mir war nicht klar, ob sie für mich
     oder für sich selbst sang, aber das war mir auch egal. Es war einfach schön, hier mit ihr in der leeren Kirche herumzuhängen
     und ihr zuzuhören. Fast kamen mir vor Rührung die Tränen. Voll peino. So als Geist hat man überhaupt keine harte Schale mehr,
     ist ja nur noch der weiche Kern übrig. Gut, dass meine Kumpels von früher mich nicht so sehen konnten.
    Inzwischen waren ein paar Menschen eingetroffen, die sich in die vierte und fünfte Bankreihe setzten. Susanne Gröbendahl war
     da, sehr schick in einem schwarzen Kleidchen mit passendem Hut. Weitere Nachbarn, zum Teil ganz in Schwarz, manche, besonders
     Männer, in Dunkelblau und Schwarz gemischt. Die Kleingärtner traten gemeinsam ein, auch der Typ, der sich dem Labersack |161| gegenüber so wichtig getan hatte und den ich immer noch nicht von der Liste der Brandstifter-Verdächtigen gestrichen hatte.
    Kurz vor der angesetzten Zeit öffnete sich das Portal noch einmal und herein schlüpften Martin und Baumeister.
    Dann zogen vollkommen lautlos die Nonnen aus einer Tür im Altarraum in die Kirche ein. Es waren deutlich mehr als fünfzehn,
     ich tippte auf mindestens die doppelte Anzahl. Alle trugen die Köpfe gesenkt, alle hatten die Hände gefaltet und die Ärmel
     ihrer Tracht darübergezogen, sodass weder Gesichter noch Hände zu sehen waren. Sie zogen am Altar vorbei und stiegen die drei
     Stufen in den Kirchenraum hinab. Einige Köpfe hoben sich kaum wahrnehmbar, sofort wurde gezischelt, die Köpfe senkten sich
     wieder. Die Nonnen nahmen in den ersten drei Bänken Platz. Als alle saßen, begann die Orgel zu spielen und ein Priester erschien
     aus der Sakristei. Vor ihm liefen zwei Messdiener in langen Hemden. Vermutlich habe ich die Katholiken schon allein deshalb
     nie ernst nehmen können, weil sie ihre sogenannten Würdenträger in lange Röcke stecken und darüber noch Spitzennachthemden
     ziehen lassen. Wie soll man vor solchen Männern Respekt haben?
     
    Es wurde eine Messe. Keine Trauerfeier, kein Wortgottesdienst, nein, eine ganze endlose, katholische Messe. Marlene betete
     jedes Gebet mit, sang jedes Lied, murmelte jedes Amen, faselte

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