Im Kühlfach nebenan
hörte.
Sie machte eine Katzenwäsche, kämmte sich die Haare, zupfte anschließend die Haare aus dem Kamm und schnitt Grimassen vor
dem Spiegel. Dann schlich sie zurück ins Schlafzimmer und sprang auf Martins Bett.
»Nicht wieder einschlafen, du Murmeltier«, rief sie. »Mach mir einen Kaffee.« Martin rangelte ein bisschen mit ihr, schaffte
es tatsächlich, sie zur Seite zu stoßen und mit seiner Decke zu fesseln, und stand auf, um Kaffee zu machen. Wasser abmessen,
Bohnen abmessen, mit der Handmühle mahlen, in die Espressomaschine füllen, auf die Herdplatte setzen, alles mit einem total
dämlichen Grinsen im Gesicht.
|154| »Wie war’s denn nun?«, fragte ich ihn von Mann zu Mann.
»Halt die Klappe«, dachte Martin. »Das nächste Mal bin ich dabei«, versprach ich ihm. »Das werden wir sehen«, dachte er. Gleichzeitig
dachte er an seinen Stapel Physikbücher, die neben seinem Lesesessel lagen. Langsam begann ich mir Sorgen zu machen. Was,
wenn er tatsächlich eine Möglichkeit fände, mich aus seinem Leben auszuschließen? Oder mich sogar aufzulösen? Ginge das?
Meine dunklen Gedanken wurden von Birgit unterbrochen, die in die Küche stürmte. Angezogen. Leider. »Mit viiiiel Zucker«,
rief sie. »Was machen wir heute Abend? Es ist Freitag. Lass uns das Wochenende irgendwie würdig begehen. Dein erstes Wochenende
in Freiheit seit Wochen.« Sie trat hinter Martin, umarmte und küsste ihn. Aufs Ohr.
Martin drehte sich kichernd weg. »Ich weiß nicht. Kino vielleicht?«
»Super«, sagte Birgit. Mir schien, dass sie heute alles super gefunden hätte, auch wenn Martin Müllsammeln im Stadtpark oder
Sortieren und Beschriften von histologischen Organpräparaten vorgeschlagen hätte. »Irgendwas Lustiges, ja? Vielleicht ein
bisschen Liebe. Jedenfalls kein Horror, keine Vampire, kein Action- und kein Problemfilm.«
Martin nickte glücklich. Okay, ich würde mich ihnen nicht anschließen. »Was erwartet dich heute bei der Arbeit?«, fragte Birgit.
»Marlenes Beerdigung«, antwortete ich, bevor Martin Luft holen konnte. Er wurde blass. »Was ist los?«, fragte Birgit besorgt.
»Geht es dir nicht gut?«
»Doch, kein Problem«, murmelte Martin. Und an mich |155| gewandt dachte er: »Ich sehe keine Veranlassung, dahin zu gehen.«
»Klar musst du hin«, entgegnete ich. »Marlene und Martha wurden ermordet. Der Täter kommt immer zur Beerdigung. Also sollten
auch wir dort sein.« »Du kannst selbst hinfliegen und alle überwachen«, dachte er.
»Klar. Bloß kann ich niemanden etwas fragen.« Er seufzte. »Wann, wo?« Ich gab ihm die nötigen Informationen, und er eröffnete
Birgit, dass er zu Marlenes Beerdigung wollte.
»Oh. Ich würde dich gern begleiten, aber ich kann heute nicht weg aus der Bank. Aber heute Abend erzählst du mir alles, ja?«
Martin versprach es ihr. Er hatte sich einen Tee zubereitet – mit losen Teeblättern, einem Dauersieb, vorgewärmter Tasse und
dreifach aufgebrühtem Wasser. Einträchtig, mit irritierender Lächellähmung in den Gesichtern, saßen die Turteltäubchen nun
am Tisch, schlürften Kaffee und Tee und löffelten zuckerfreies Müsli in frischer Biovollmilch aus kleinen Schälchen. War das
Liebe? Es sah jedenfalls ganz anders aus, als mein übliches After-Sex-Frühstück. ’ne Kippe und ’n Bier und hoffen, dass die
Tussi die Klappe hält. Na ja, Martin war halt ein Weichei.
Vor der Beerdigung erstreckte sich ein langer Vormittag in der Rechtsmedizin, wo Martin inzwischen wieder voll integriert
war. Die Kollegen machten ihre üblichen Witze über seinen Diktierfimmel. Martin konnte sich an tausendundeine Obduktion erinnern
und war schneller als jede Datenbank, wenn es um das Auffinden von Parallelen bei zurückliegenden Fällen ging. Krass.
Katrin stand gerade an Martins Arbeitsplatz, weil sie irgendeine Information über seltsame Verletzungen bei |156| einer Bewohnerin eines Altenheims suchte, als der Chef hereinplatzte.
»Herr Gänsewein, was haben Sie sich dabei gedacht? Ach, schön, dass Frau Zang gleich mit von der Partie ist, da habe ich ja
beide Spezialisten zusammen.« Martin und Katrin blickten sich unsicher an. »Worum geht es denn?«, fragte Martin. »Um Ihren
Obduktionsbericht des Brandopfers aus dem Kloster.«
Martin hatte, als er mit Katrin sprach, sein Mikrofon in den Schlummerstatus geschickt, sodass das Programm jetzt nicht alles
mitschrieb, was er sagte. Ich weckte das Mikro mit einem freundlichen
Weitere Kostenlose Bücher