Im Kühlfach nebenan
Ansprechpartner für deine Recherche.« Ich erklärte ihm meinen
Plan.
Beim Frühstück, das Martin aus Früchtemüsli, einem Vollwertbrötchen, einem Kaffee für Birgit und einem Kräutertee für sich
selbst zubereitet hatte, grinste Birgit schon wieder. Die Frau war ein Stehaufmädchen.
»Ich muss noch mal ins Kloster, meine Tasche holen«, verkündete sie. »Und dann nach Hause, mich umziehen. Aber danach können
wir doch den Tag miteinander verbringen, oder?«
Martin verdrängte das Bild von ihm und Birgit Hand in Hand auf einer blühenden Sommerwiese. »Eigentlich gern«, sagte er. »Aber, … ich muss ein paar, äh, Erkundigungen einholen.«
Umständlich erläuterte er Birgit meine Idee. Nach einer Schrecksekunde war sie ganz Feuer und Flamme. »Da kann ich dir doch
helfen«, sagte sie. Martin erbleichte. »Ich halte es nicht für eine gute Idee, dich da noch mal mit hineinzuziehen«, sagte
er. »Ich mache mir schon die größten Vorwürfe, weil ich dich gestern in Gefahr gebracht habe.«
Birgit winkte ab. »Ich bin bestimmt keine Heldin«, sagte sie. »Aber die Frauen, die ich in dem Kloster kennengelernt habe,
sind wirklich arm dran.«
|220| Martin nickte widerwillig. »Die brauchen Hilfe.« Martin nickte wieder. »Aber dafür ist die Polizei zuständig. Oder die Nonnen.«
»Warum mischst du dich dann in die Polizeiarbeit ein?« »Ich glaube nicht, dass die Prostituierten der Polizei besonders bereitwillig
Auskunft geben werden«, sagte Martin.
»Und dir genauso wenig, weil du ein Mann bist.« Super, die Frau. Voll krass clever. Da hatte sie Martin erstklassig ausgetrickst.
Er zierte sich noch ein bisschen, gab aber seinen Widerstand auf, sobald er geriffelt hatte, dass er gegen Birgit nicht ankam.
Ich begleitete Birgit zum Kloster, wo sie sich am Aufenthaltsraum vorbeischlich, in dem die übrigen Mädels zusammenhockten,
und ihre Sachen holte. Wo ich schon mal dort war, suchte ich Marlene. Ich fand sie im Zimmer der Oberin, zusammen mit dem
Baumeister.
»Hat der kein Zuhause?«, fragte ich sie. »Er kommt immer sonntags in die Messe und trinkt danach einen Kaffee mit der Oberin«,
erklärte Marlene. Sie wirkte bedrückt.
»Was ist los?«, fragte ich. »Hör selbst«, flüsterte sie. »… sollten Sie diese furchtbaren Geschehnisse nun aber doch zum Anlass nehmen, über eine Aufgabe des Klosters nachzudenken«,
sagte Baumeister.
»Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«, fragte die Oberin.
»Das Asyl für die, äh, gestrauchelten Mädchen ist ja nun aufgeflogen. Wenn Sie das nicht mehr betreiben, benötigen Sie viel
weniger Platz.« Baumeister machte eine weit ausholende Geste. »Für die Anzahl Ihrer Ordensschwestern |221| ohne die Auffangstelle würde Ihnen ein Viertel des Platzes reichen.«
Die Oberin blickte Baumeister ruhig an und nickte. »Und die Bürgerproteste gegen die Obdachlosen werden auch immer stärker.
In der Stadtverwaltung habe ich gehört, dass man die Genehmigungssituation noch mal überprüfen wolle.«
Die Oberin legte die Fingerspitzen aneinander und betrachtete ihre Hände. »Da Sie den Konvent dank der Erbschaft wenigstens
nicht auflösen müssen, könnte ich Ihnen helfen, ein passendes Gebäude für Sie zu finden. Es gibt mehrere Objekte in der Stadt,
die sich eignen würden. Sogar Kirchen stehen zum Verkauf. Ein aufgegebenes Gemeindehaus mit einer nicht mehr genutzten Kirche
könnte Ihrem Konvent eine angemessene neue Heimat bieten. Dann müssten Sie auch nicht die gesamte Erbschaft in die Sanierung
eines zwar schönen, aber viel zu großen Gebäudes stecken, sondern hätten mehr finanziellen Spielraum für Ihre karitative Arbeit,
die Sie dann unabhängig von den Klosterräumen tun.«
Hörte sich insgesamt ziemlich logisch an. »Was wäre so schlimm daran?«, fragte ich Marlene. »Wir sind doch keine Sozialstation,
die ihre Mitarbeiter in flotten Kleinwagen durch die Stadt schickt«, sagte Marlene empört. »Wir sind ein Orden mit einem Konvent.
Das Kloster ist ein Ort des Glaubens und der Liebe. Ein Ort zur Ehre Gottes auf Erden, an dem wir selbst leben und wo wir
Menschen, die in Not sind, eine Zuflucht bieten. Einen sicheren Hort. Wo sollen diese Menschen sonst hin? Das ist nicht mit
Geld aufzuwiegen.«
Die Oberin blickte Baumeister, der seine Ausführungen beendet hatte, ruhig an. »Ich weiß Ihre Bemühungen zu schätzen«, sagte
sie, »und werde darüber nachdenken.«
|222| Baumeister nickte
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