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Im Kühlfach nebenan

Titel: Im Kühlfach nebenan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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lebenswichtig ist.« Marlene seufzte. »Früher war es natürlich einfacher. In dem Bereich des Klosters, in dem die Frauen
     untergebracht sind, gibt es kein Telefon. Jahrzehntelang mussten sie die Oberin bitten, |214| das Bürotelefon benutzen zu dürfen, und dann durften sie nur unter Aufsicht sprechen. Heute hat jede selbst ein Handy und
     bekommt Entzugserscheinungen, wenn sie mal drei Tage ohne SMS leben muss.«
    Stimmt. Das galt allerdings nicht nur für Nutten. »Und wie erfahren die Betroffenen, dass es euch gibt, bei all der Geheimhaltung?«
     »Durch den Heiligen Geist.« Ich stöhnte leise.
    Marlene kicherte. »Natürlich nicht. Um diese Details kann sich der Heilige Geist nicht kümmern. Wir streuen die Information
     ganz gezielt, genau wie die anderen Frauenhäuser. Die Sozialarbeiterinnen, die Streetworkerinnen, die Frauen im Gesundheits-
     und Ordnungsamt, die wissen alle Bescheid und sagen den Frauen, dass sie hier unbürokratische Hilfe bekommen können.«
    Ich war beeindruckt. Dreißig Jahre lang versteckten die furzkatholischen Pinguine ausgerissene Nutten in ihren heiligen Mauern
     und keine Sau wusste etwas. »Wenn wir mit den Frauen zu einem Amt oder einer Ärztin oder auch mal zur Polizei mussten, bekamen
     sie eine Ordenstracht als Verkleidung. Dann konnten wir völlig ungestört Bus und Bahn fahren. Kein Mensch achtet auf zwei
     Pinguine, die mit gesenktem Blick und gefalteten Händen durch die Gegend watscheln.«
    »Pinguine hast du gesagt«, stellte ich klar. »Vorbei«, sagte Marlene. Sie war den Tränen nahe. »Die Kidnapper haben herausbekommen,
     wo wir sind, und sie werden diese Information an ihre Kollegen teuer verkaufen.«
    Marlene wollte den Rest des Tages mit ihren Schützlingen verbringen, die nach dem Schock des Kidnappings und der glücklichen
     Befreiungsaktion gleich den nächsten Schreck bekommen hatten, als die Bullen sie alle zur Feststellung |215| der Personalien und zur Vernehmung aufs Revier mitnehmen wollten. Zum Glück war die Schwester Oberin mit Schwester Schlitzohr
     gerade rechtzeitig eingetroffen, um ihre Mädels einzusammeln und ins Kloster zurückzubringen. Ich hatte keine Ahnung, wie
     sie es schaffen wollten, diejenigen, die keine Aufenthaltsgenehmigung hatten, aus den Fängen der Staatsmacht zu befreien,
     aber Marlene winkte lässig ab. »Darin haben wir jahrelange Übung.«
     
    Ich stattete Gregor einen Besuch ab. Die Befragung des festgenommenen Fahrers lief schleppend. »Wer hat Ihnen den Auftrag
     gegeben, den Van zu übernehmen und zu der angegebenen Adresse zu fahren?« »Ey, weiß ich nicht, Mann. War anonym.« »Wie haben
     Sie den Auftrag erhalten?« »Der Wirt von der Kneipe, wo ich abhänge, gab mir den Umschlag mit dem Geld. Da war ein Zettel
     drin.« »Warum waren Sie zu zweit?« »Wenn du nicht weißt, was dich erwartet, ist es besser, du hast Verstärkung.«
    »Was glauben Sie, woher Ihr Auftraggeber Sie kannte?« Jetzt grinste der schmierige Sack selbstgefällig. »Ey Mann, ich bin
     der Transporter. Das ist bekannt.« Eine größere Gotteslästerung hatte ich schon lange nicht mehr gehört. An der Stelle hatte
     die Lektorin drei Fragezeichen an den Rand gemalt, daher muss ich das jetzt erklären: Ich liebe die › Transporter‹-Filme.
     Der echte Transporter ist ein Gott. Der coolste Typ, den man sich vorstellen kann. Ein Mann, der nur eine Regel hat: »Ich
     fahre mein eigenes Auto.« Sagt er bei jedem Auftrag. Und hier saß dieser Brühwürfeljunkie, ließ sich anonym den Auftrag geben,
     zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort einen bestimmten Van zu übernehmen und |216| zu einer bestimmten Adresse zu fahren, und glaubte, er wäre auch nur ansatzweise cool, schnell und gefährlich. Wohin ihn diese
     Art der Selbstüberschätzung gebracht hatte, war gerade zu besichtigen.
    Gregors Kollege hatte bei dem Beifahrer noch weniger Erfolg. Frustriert verglichen sie ihre Ergebnisse und beschlossen, Feierabend
     zu machen, als der Chef ihre traute Zweisamkeit am Kaffeeautomaten störte.
    »Wem gehört diese Stimme im Radio, Herr Kreidler?« Der Kollege verdünnisierte sich unauffällig. »Keine Ahnung, Chef.« »Wieso
     nannte diese Stimme Ihren Namen?« »Keine Ahnung.« »Wer ist Birgit?«
    Ich erwartete schon, dass er wieder »keine Ahnung« raushaut, aber diesmal sagte er die Wahrheit. »Was hat diese Frau in der
     Nothilfestation für ausgestiegene Nutten zu suchen?« »Ich glaube, sie suchte eine Freundin.« Puh, für einen

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