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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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trotzdem mal Ravensbrück besuchen. Vielleicht ist Berta dort. Es wäre interessant zu wissen, wie sie jetzt aussieht. Freilich werden mit den jungen Jüdinnen meist medizinische Experimente gemacht: Knochentransplantationen, Infektionen, experimentelle Operationen, Impfungen. Aber wahrscheinlich lohnt es sich gar nicht, daß du dafür deine Zeit verschwendest. Obwohl es ganz wirksam wäre, wenn sie dich in deinem heutigen Zustand und du sie in dem ihren sehen würdest."
    In diesem Augenblick traf Johann eine Ohrfeige. Seine Hand fuhr unwillkürlich zur Pistolentasche, doch er gewann schnell seine Fassung zurück. Er lächelte. Lächelte ohne jede innere Anstrengung, da er gewollt hatte, daß Heinrich auf irgendeine Weise auf seine Worte reagieren sollte; er hatte darauf hingearbeitet, darauf gewartet, darauf gehofft, das Menschliche, das noch in ihm sein mußte, zu entdecken.
    Heinrich in die Augen blickend, sagte Johann offiziell:
    „Herr Schwarzkopf, Sie haben mich als Offizier beleidigt. Ich denke, Sie wissen, was die Ehre eines Waffenrocks ist und wie man sie schützt?"
    „Du willst dich also mit mir schießen? Bitte!"
    „Das fehlte noch", sagte Weiß. „Ich habe nicht den Wunsch, vor ein Kriegsgericht zu kommen."
    „Was willst du dann?"
    „Du hast doch einmal gut Schach gespielt", sagte Weiß nachdenklich. „Wenn du es nicht verlernt hast, vielleicht spielst du eine Partie mit mir?"
    „Wozu?"
    „Der Verlierer zahlt mit dem Leben. Auf welche Weise, bleibt ihm überlassen."
    „Einverstanden", sagte Heinrich, ohne zu überlegen. „Du denkst doch nicht etwa, daß wir uns beim Schach versöhnen werden?" „Nein! Auf keinen Fall! Morgen abend werden wir spielen." „Gut, bis Morgen ..." Johann hatte um den Ausgang des Schachduells mit Heinrich wenig Angst, da er nicht nur auf seine Selbstbeherrschung zählte, sondern auch auf seine zweifellose Überlegenheit bei diesem Spiel. Was Johann beunruhigte, war etwas anderes: Wenn Heinrich nun feige werden würde und sich versteckte, einfach fortfuhr oder, noch schlechter, seine Stellung dazu benutzte, um Schritte zu unternehmen, die Johann in eine schwierige Lage bringen würden?
    Aber Heinrich einer solchen Niederträchtigkeit zu verdächtigen, bestand vorerst kein Grund. Wenn Heinrich die Forderung ernsthaft angenommen hatte, so würde er sich vor dem Duell nicht drücken. Und wenn Weiß sich vor ihm drückte, so hätte Heinrich allen Grund, ihn für einen Feigling zu halten, und würde sich für immer mit Verachtung von ihm wenden.
    Das hieß also Heinrich verlieren, in dem Augenblick verlieren, wo es gelungen war, in ihm jenes Stückchen Menschlichkeit zu entdecken, das für Weiß und seine Sache vielleicht etwas Nützliches barg.
    Johann rief sich alle Abstufungen der Erregung ins Gedächtnis zurück, die er, als er Heinrich über Berta erzählte, auf seinem Gesicht wahrgenommen hatte, und dabei kam er auf den Gedanken, daß seine Worte Heinrich Haß gegen ihn einflößen könnten. Wenn es so war, so konnte Heinrich die Forderung zum Duell dazu benutzen, ihn unbarmherzig zu töten, genauso, wie Johann an seiner Stelle gehandelt hätte. Wenn es tatsächlich so war, hatte er das Spiel zu weit getrieben, und sein Leben war in Gefahr.
    Und was war, wenn Heinrich mit ihm einfach sein Spiel getrieben hatte, um ihn zu prüfen? Was dann? Natürlich könnte er sofort handeln. Er könnte zu Heinrich gehen und ihm das Untersuchungsmaterial in Sachen Rudolf Schwarzkopf auf den Tisch legen. Und dann würde sich zeigen, auf wessen Seite Heinrich war.
    Doch dann mußte er Heinrich seine wahre Person entdecken. Und wenn Heinrich seiner Schicksalsentscheidung, der Entscheidung, mit wem er nun zu gehen habe, auswich, so wäre Johann gezwungen, ihn zu töten.
    Nicht ausgeschlossen war auch etwas anderes : Betroffen von der Aussage Funks, könnte Heinrich sich von seinem Onkel und der Gestapo lossagen und, lediglich von der Verzweiflung getrieben, einwilligen, Weiß zu helfen. Doch die Verzweiflung war ein unbeständiges Gefühl. Beständig war nur die Überzeugung. Doch sie kam nicht wie eine blitzartige Erleuchtung. Er durfte nicht damit rechnen, daß Heinrich, mit dem Material Funks vertraut, sofort seine Überzeugung ändern würde.
    Johann brauchte keinen bestürzten und verwirrten Heinrich, der aus Verzweiflung zu allem bereit war. Er brauchte einen Heinrich, der überzeugt war, daß am Tode seines Vaters nicht allein Willi Schwarzkopf schuldig war. Wenn Heinrich

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