Im Labyrinth der Abwehr
Erschießen altmodisch ist? Dafür gibt es jetzt Gaskammern. Übrigens weißt du, daß der IG-Farben-Konzern der SS für jeden Häftling, der in seinen Werken arbeitet, drei Mark bezahlt und die SS dem Konzern dreihundert Mark für ein Kilo Zyklon B?" Johann tat so, als ob ihn diese Unterhaltung langweile, und sagte, sich nachlässig ausstreckend:
„Je reicher Krupp, Thyssen und Stinnes werden, um so mehr festigt sich unsere Wirtschaftskraft, und wenn wir IG-Farben die Möglichkeit geben, zu verdienen, so festigen wir auf ökonomische Art und Weise das Reich. Das ist doch eine Binsenwahrheit."
„Denkst du etwa so?"
„Für die, die anders denken, produziert IG-Farben das Zyklon B." „Du denkst wie ein echter Nazi!"
„Sagen wir lieber: redest ...", verbesserte Weiß.
„Das heißt, du willst nicht offen mit mir sein?"
„Und wenn es sich nun zeigt, daß du das alles nur faselst, um mich zu provozieren?"
„So denkst du von mir?"
„Reg dich nicht auf ... Ich denke, daß du so wie ich deine Sache verstehst, vielleicht sogar besser als ich. Kann ich dir denn nicht sagen, daß ich dich beruflich schätze?"
Heinrich sagte langsam:
„Anfangs dachte ich, daß du mit mir nur dein Spiel treibst, daß du ein anderer geworden wärst, so wie alle hier. Aber jetzt hab ich mich vom Gegenteil überzeugt. Du hast es mich fühlen lassen, was für ein Lump ich bin."
„Aber hör mal, wie könnte ich", rief Johann empört.
„Hast du aber! Als du so ironisch sagtest, daß du mich beruflich schätzen würdest. Da hab ich gleich gemerkt, daß du nicht so bist wie die anderen."
„Ich versichere dir, du irrst dich", sagte Weiß automatisch.
Er ärgerte sich. Er hatte es nicht verstanden, seine Gedanken zu verbergen; zwar hatte er sich nicht mit Worten, wohl aber durch die Intonation verraten.
„Dein Mißtrauen mir gegenüber ist ganz unnötig, Heinrich. Wenn du mich auch weiterhin als deinen Freund betrachten willst, erkundige dich bitte bei der Gestapo nach mir. So ist es einfacher. Und im übrigen befreit dich das von der Notwendigkeit, meine Denkweise selbst überprüfen zu müssen."
Johann hatte in einem sachlichen, freundschaftlichen Ton gesprochen. Doch seine Worte riefen auf Heinrichs Gesicht lediglich einen Ausdruck des Abscheus hervor.
Diese Reaktion freute Johann, doch er verriet sein Gefühl durch nichts und fuhr im gleichen Ton fort:
„Du mußt mich richtig verstehen, Heinrich. Du warst für mich der erste echte Nationalsozialist in meinem Leben, warst ein Vorbild für mich. Noch in Riga hattest du es verstanden, über deinen Vater hinauszuwachsen und hast diesem jüdischen Professor und seiner Tochter offen deine Verachtung gezeigt. Ich hab mir damals noch erlaubt, sie für wertvolle und edle Menschen zu halten. Ich hab dich sogar beneidet, weil mir Berta gefiel. Erinnerst du dich noch an sie? Ich hielt sie damals für eine Schönheit!"
„Und jetzt ist sie dir gleichgültig?"
„Aber ja", sagte Johann schnell. „In den Lagern sieht dieses Material sehr unansehnlich aus. Wahrscheinlich würdest du sie dort nicht erkennen."
Die Augen Heinrichs blickten kalt und hart. Mit geballten Fäusten bewegte er sich auf Johann zu und blickte ihn haßerfüllt an. Doch Johann tat, als bemerke er nichts, und fuhr fort:
„Warst du in Auschwitz? Bevor man dort Verbrennungsöfen gebaut hatte, waren die an das Lager angrenzenden Felder ein faulender Morast. Die Leichen wurden nur mit einer dünnen Schicht Erde bedeckt. Der Gestank war unerträglich. Natürlich waren die SS-Leute unter solchen Bedingungen nicht zu beneiden."
„Wozu erzählst du mir das alles?" fragte Heinrich heiser.
„Entschuldige, offenbar sind das keine Neuigkeiten für dich. Ich wollte nur sagen, daß ich weiß, unter welchen Bedingungen du als SS-Offizier arbeiten mußt."
„Du hältst mich also für einen von der Sorte?"
„Sieh mal", erwiderte Johann ausweichend, „wir haben eine Mission zu erfüllen, und diejenigen, die sich an ihr beteiligen, verdienen sicher die Ehre, auf den Seiten der Geschichte genannt zu werden. Ich denke doch, daß auch die Familie Schwarzkopf dort ihren Platz hat."
„Welchen Schwarzkopf hast du dabei im Auge?"
„Alle beide, Willi und Heinrich. Ich hoffe, daß dein Onkel mit dir zufrieden ist und dir deine jugendliche Leidenschaft für Berta verziehen hat. Oder hast du ihm das verheimlicht?" Und ohne Heinrich Zeit zur Antwort zu lassen, riet er ihm freundschaftlich: „Ich an deiner Stelle würde
Weitere Kostenlose Bücher