Im Labyrinth der Abwehr
begreifen würde, daß der Hauptschuldige das faschistische Deutschland war, nur dann könnte er zu der Überzeugung gelangen, daß der einzig für ihn richtige Weg der war, sich an die Seite des sowjetischen Volkes zu stellen.
Doch wie Heinrich das alles erklären, wie glauben, daß gerade er der Deutsche war, der fähig war, Johann zu verstehen und den Entschluß zu fassen, für das Deutschland zu kämpfen, das selbst das erste Opfer des faschistischen Terrors geworden war?
Dietrich beschäftigte sich mit der Untersuchung von vier deutschen Wehrmachtsangehörigen, die sich geweigert hatten, an der Erschießung von Geiseln teilzunehmen.
Man hatte sie alle zum Tode verurteilt. Den Verurteilten war erklärt worden, daß man demjenigen, der die drei anderen mit dem Beil hinrichte, die Todesstrafe erlassen und ihn mit einer Strafeinheit an die Front schicken würde. Doch keiner hatte eingewilligt, den Henker zu spielen.
Da hatte Dietrich entschieden, die Ehre, Verräter des Reiches zu vernichten, den Offizieren der Abwehr zu überlassen.
Landsdorf billigte den Einfall Dietrichs, er schlug außerdem vor, Heinrich Schwarzkopf, den Neffen des Obersturmbannführers, an der Hinrichtung teilnehmen zu lassen.
„Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich dem Herrn Obersturmbannführer durch seinen Neffen empfehlen zu lassen."
Johann hörte von dieser Unterhaltung nach seinem Streit mit Heinrich, und eine quälende Unruhe erfaßte ihn. Wenn Heinrich bei der Hinrichtung das geringste Anzeichen von Mutlosigkeit zeigte, so würde Landsdorf nicht zögern, daraus seine Schlüsse zu ziehen.
Johann wußte, daß Himmler mit der Arbeit Canaris' unzufrieden war, und Willi Schwarzkopf gehörte zum Stab Himmlers. Möglicherweise hatte Heinrich einen Geheimauftrag, der nicht nur die Mißerfolge des Stabes „Vally" betraf.
Wer sich weigerte, an einer Hinrichtung teilzunehmen, galt als Verräter. Landsdorf hatte es darauf angelegt, den Verwandten eines Himmler Nahestehenden zu kompromittieren, um sich für die Intrigen gegen Canaris zu rächen.
Johann fürchtete, daß sich Heinrich in eine gefährliche Situation bringen könnte. Deshalb schien es ihm das beste, so zu handeln, daß Heinrich gar nicht erst die Möglichkeit hatte, zur Zeit der Hinrichtung im Gefängnis zu sein.
Johann erinnerte sich an ein Gespräch mit Dietrich, wobei er darauf hingewiesen hatte, wie gefährlich es für Heinrich Schwarzkopf war, ohne Begleitung in SS-Uniform durch Warschau zu spazieren. Dietrich hatte daraufhin nur achselzuckend gesagt: „Na und? Wenn die Polen ihn umlegen, wird sich Himmler nur ein weiteres Mal davon überzeugen, unter welch schwierigen Bedingungen der Stab 'Vally' arbeitet."
Das brachte Johann auf einen Gedanken, den er mit Hilfe Subows zu verwirklichen hoffte.
Er traf sich wie gewöhnlich mit Subow an der Uferpromenade der Weichsel. Subow hörte sich Johanns Vorschlag an und sagte dann knurrig:
„Einverstanden, nur hat die Sache ihre Schwierigkeiten. Wir dürfen deinem Schwarzkopf nichts antun, wohl er aber uns. Einer Partei kann dabei was passieren."
„Wenn immer beiden Seiten etwas passieren würde, wärst du schon lange nicht mehr am Leben. Du bist also nicht einverstanden?"
„Was heißt, nicht einverstanden, wenn du es befiehlst."
„Ich befehle nicht, ich bitte dich darum."
„Aber, aber, erlauben Sie mal”, sagte Subow laut auflachend, ließ jedoch augenblicklich den scherzhaften Ton und beriet zusammen mit Johann, unter welchen Umständen man den Raub Heinrichs am besten ausführte.
50
Die abgetretenen Steinfliesen der Uferpromenade entlanggehend, überlegte Johann, ob er Heinrich gegenüber richtig gehandelt hatte. Auf den ersten Blick schien alles logisch und gerechtfertigt. Aber lohnte es sich, das Leben Subows und seine Gefährten zu riskieren, nur um Heinrich von einer gefährlichen Prüfung zu befreien? Die ganze Sache nur deshalb einzufädeln, um Heinrich von der Teilnahme an der Hinrichtung zu befreien, dazu hatte Johann kein Recht.
Johann erinnerte sich an die Worte Baryschews.
„Das Wichtigste, Bestimmendste, Oberste eines Unternehmens ist die Idee des Ganzen, der Grund, warum es ausgeführt wird. Man muß sich von den Endzielen des Kampf es leiten lassen, sich nicht den aufgezwungenen Umständen unterordnen, sondern umgekehrt, die Umstände dem obersten Ziel ..."
Und jetzt zeigte sich: Weiß hatte sich den Umständen untergeordnet: Das Unternehmen war nicht durch die hohen Ziele des Kampfes
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