Im Labyrinth der Abwehr
gerechtfertigt.
Müde und niedergeschlagen ließ er sich auf eine Bank nieder.
Nach einer Weile kam ein magerer deutscher Soldat auf Krücken angehumpelt und setzte sich neben ihn.
„Schon lange von der Front?" fragte Weiß.
„Zwei Monate."
„Schwer verwundet?"
„Voriges Jahr hätten sie noch ‚schwer' geschrieben, jetzt gilt sie als leicht. Also geht's wieder an die Front." „Du bist ein Held!"
„Mehr solcher Helden, dann gäbe es weniger solcher Dummköpfe wie mich.”
„Warum redest du so über dich?"
„Warum?" erwiderte der Soldat boshaft.
„Na, sag schon ..."
„Also wir hatten einen getrunken, und da hat uns die Feldgendarmerie eingelocht. Nachts war ein Partisanenüberfall. Und zusammen mit ihren Leuten haben sie uns aus dem Gefängnis befreit."
„Lächerlich."
„Stimmt, war 'ne komische Sache. Nur, mein Freund ist bei den Partisanen geblieben, ich bin abgehauen. Nachher haben sie mich in die Propagandakompanie geholt, damit ich erzähle, wie die Partisanen meinen Freund gefoltert haben."
„Haben sie wahrscheinlich auch?"
„Mit Suppe, Grütze und Gesprächen über die proletarische Solidarität."
„Und du hattest ihn schon begraben?"
„Nein! Er hat hinterher über Lautsprecher erzählt, wie alles war.
Und natürlich hat er was gegen den Krieg gefaselt."
„Also hat er den Führer verraten?"
„Mich, mich hat er auch verraten", sagte der Soldat heftig und streckte das gekrümmte Bein aus. „Seine Leute haben mich zum Krüppel gemacht."
„Was heißt, seine Leute?"
„Na, glauben Sie, daß die sechs Millionen Lumpengesindel, die für die Kommunisten gestimmt haben, alle im KZ sitzen? Nee, die sind auch an der Front!"
„Und Ihr Freund, ist der auch Kommunist?"
„Nein, nur Anstreicher in einer Hamburger Werft ..."
Johann hörte nur noch zerstreut zu. Ein Gedanke überkam ihn plötzlich.
Mechanisch nickte er dem Soldaten zu, stand auf und eilte dem Parkausgang zu.
Der Ausgangspunkt für das geplante Unternehmen, sein Grund, mußte nicht die Bewahrung Heinrichs vor der Teilnahme an der Hinrichtung sein, sondern die Rettung der zum Tode Verurteilten.
Dann wäre das Risiko, dem sich Subow und seine Gruppe aussetzte, völlig gerechtfertigt.
Subow empfing Weiß kühl und unfreundlich.
„Na, was gibt es noch?" sagte er spöttisch. „Obwohl der Raub deines edlen SS-Mannes für uns zu hoch ist, sind die Burschen einverstanden. Aber ihnen geht die Sache gegen den Strich, das wirst du entschuldigen müssen."
„Richtig. Und es ist auch richtig, daß ihnen die Sache gegen den Strich geht." Und indem er Subow umarmte, fragte er: „Aber mit der Rettung von ehrlichen Deutschen, die zum Tode verurteilt sind, seid ihr einverstanden, nicht wahr? Hör zu: Im Zusammenhang mit der Verschiebung des Stabes 'Vally' hat man vier Kilometer von seinem jetzigen Standort einen Kontrollpunkt aufgehoben. Wir führen ihn wieder ein. Der Wagen mit den Verurteilten kommt die Straße lang. Gewöhnlich wird hier jedes Fahrzeug angehalten, egal, wer drin sitzt. Wir machen es genauso, klar?"
Subow nickte mit dem Kopf, lächelte breit und fragte:
„Weißt du, woran ich gedacht habe, bevor du kamst? Daran, daß ich der letzte Feigling bin. Verstehst du, ich hatte absolut keine Lust, wegen deines Faschisten ein toter Mann zu werden. Aber jetzt geht die Sache in Ordnung, verlaß dich drauf."
Am nächsten Morgen suchte Johann Dietrich auf, um weitere Einzelheiten über die Hinrichtung zu erfahren. Im Korridor der Villa, in der sich unter dem Deckmantel einer Wasserheilanstalt die Nebenstelle „Vally III" befand, traf er auf Duszkiewicz, den er seit der Zeit nicht wiedergesehen hatte, als er in der Umgebung Warschaus Gutshöfe ausfindig machte, die sich für eine Unterbringung von Spionageschulen eigneten.
Duszkiewicz kam gerade aus dem Zimmer Dietrichs.
Fast mechanisch, wie es seine langerworbene Gewohnheit war, alles und jeden mit der in nächster Zukunft zu lösenden Aufgabe in Verbindung zu bringen, überschlug Weiß in Gedanken: Duszkiewicz ist Agent und Provokateur. Mit Wissen der Spionageabwehr ist er auch Agent der polnischen Exilregierung in London. Er ist in Kreise der patriotisch gesinnten polnischen Intelligenz eingedrungen und wirbt dort Todeskandidaten für die Teilnahme an Terrorakten, die jedesmal mit Selbstmord oder dem Gefaßtwerden des Helden enden. Solche Provokationen dienen der SS auch als Anlaß für die Hinrichtung von Geiseln und Massenverhaftungen, angeblich zum Zwecke
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