Im Labyrinth der Abwehr
gezwungen, etwas zu gestehen. Hier liegt ein kleines Geständnis ... Sie können mich nicht mehr mit irgendeiner ungesetzlichen Absicht in Verbindung bringen. So ist das, mein lieber Weiß. Jetzt steht es null zu null."
Als Johann ins Hotel zurückging, begab er sich sofort ins Restaurant, mit der festen Absicht, erst einmal zu essen, obwohl ihm nach dem Vorgefallenen nicht danach zumute war. Er sah sofort den Tisch, an dem Heinrich Schwarzkopf in der Gesellschaft von Offizieren saß. Heinrich war schon ziemlich betrunken. Als er Weiß sah, erhob er sich schwerfällig, versuchte mit nervösen Fingern seinen Rock zuzuknöpfen und sagte:
„Meine Herren, ich muß Sie leider verlassen. Er", Heinrich zeigte auf Johann, „ist gekommen, um ..." Und mit dem gekrümmten Finger machte er eine Bewegung, als wenn er auf den Abzug drückte. Mühselig kam er hinter dem Tisch hervor, ging auf Weiß zu, stützte sich auf dessen Schulter und befahl: „Bring mich zu mir, ich werde dich gleich hinüberbefördern. Du willst doch ...?"
Als sie die Treppe hinaufstiegen, mußte Weiß ihm den Schlüssel abnehmen und selbst die Tür aufschließen. Heinrich ließ sich schwer auf ein Sofa fallen und schloß die Augen.
Johann zog ihm den Rock aus, feuchtete eine Serviette an und legte sie ihm auf die Stirn. Heinrich murmelte, während er Johann mit trüben Augen ansah:
„Weißt du, bevor sie hingerichtet wurden, wollte man sie zwingen, 'Heil Hitler' zu rufen. Man hat ihnen in die Weichteile geschossen, damit sie riefen. Aber sie schwiegen."
„Was, bist du schon aus dem Gefängnis zurück?"
„Nein, sie sind mit mir in ein KZ gefahren. Zu einer Exekution."
„Na, und hat es dir gefallen?"
„Ja", sagte Heinrich. „Aber warum nur sie? Uns alle muß man erschießen, nicht einer darf übrigbleiben. Eine einzige, leere, stinkende Erde, und kein einziger auf ihr, nicht ein Mensch."
Johann drückte einige Zitronen aus, goß den Saft in ein Glas und zwang Heinrich zu trinken. Heinrich trank in gierigen Zügen. Dann streckte er sich wieder aus und lag lange Zeit bewegungslos. Johann glaubte, er sei eingeschlafen. Doch Heinrich öffnete die Augen, setzte sich auf und sagte ernüchtert:
„Du bist gekommen! Ausgezeichnet!" Er ging an den Tisch, schrieb ohne zu überlegen eilig ein paar Zeilen, legte den Bogen in ein Kuvert, verklebte es, reichte es Weiß und sagte: „Ich bin bereit!"
„Unsinn!" sagte Weiß. „Das ist doch alles dummes Zeug!"
„Du hast also selbst Angst bekommen?"
„Genau!" ereiferte sich Weiß. „Ich habe Angst!"
„Wozu lügst du?" fragte Heinrich. „Was willst du von mir?"
„Wer bist du jetzt, Heinrich Schwarzkopf, wer?"
„Das weißt du nicht? Lies die Erklärung, ich glaube, ich habe einen schönen Namen für mich gefunden."
„Das werde ich nicht", sagte Weiß, zerriß den Umschlag und warf die Fetzen in den Aschenbecher. Dann zündete er sie an und schaute zu, wie das winzige Feuer brannte. „Siehst du! Zu Asche ist sie, deine Dummheit!"
„Schade!"
„Was hast du?"
„Nichts. So wie alle anderen rieche ich ganz einfach Aas, nur mit dem Unterschied, daß ich in diesem Gestank nicht mehr atmen will." Boshaft erklärte er: „Du hast dich natürlich an diesen Gestank gewöhnt und träumst davon, wie du in diesem Schlachthaus von einem Handlanger zum Schlächter aufsteigen kannst. Das ist deine Sache, aber mein Entschluß steht fest."
„Ich verstehe nicht, wozu du mich brauchst? Damit ich bei deinem Selbstmord mitmache?"
„Es wäre sehr freundlich von dir, mir bei der Verwirklichung meines Entschlusses zu helfen. Eine Ehrensache ist immer ein schöner Vorwand."
„Du bist krank, Heinrich. Nur Kranke oder Verrückte reden so."
„0 nein! Ich fürchte etwas anderes. Ich fürchte, wenn wir diesen Krieg gewinnen, am Leben zu bleiben. Wir Deutschen verdienen, daß man uns alle vernichtet, genauso, wie wir jetzt die anderen vernichten."
„Soviel ich aus Verhören mit Gefangenen weiß", sagte Weiß, „sind die Russen überzeugt, daß die Faschisten eins, das deutsche Volk aber etwas anderes ist."
„Unsinn!" rief Heinrich aufgebracht, „Deutsche sind Deutsche." „Dir wird sich heute die Möglichkeit bieten, das zu beweisen." Heinrich erblaßte und sagte wütend:
„Ja, ich habe zugesagt, ins Gefängnis zu fahren. Ich muß wissen, warum diese Deutschen so gehandelt haben: ob aus Feigheit oder aus Mut ... Wenn es das letztere ist, so würde ich es mir als Ehre anrechnen .. "
„Wenn man dich
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